Jüdische Gemeinde

Nationalsozialismus

Der "jüdischen Gemeinde" von Wiener Neustadt ist ein eigenes Thema gewidmet, da die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wiener Neustadt vor 1938 zu einer der größten des Landes zählte. Die Entrechtung und Vertreibung kann aufgrund des spärlichen Foto-Materials zumindest an Beispielen gezeigt werden, mit dem Übergriffe auf die jüdische Bevölkerung und die Zeit des Novemberpogroms (der "Reichskristallnacht") dokumentiert sind.

Arisierung - Herzog-Leopold-Straße 3

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Im Zuge des "Anschlusses" kam es in Wiener Neustadt auch zu einem Pogrom. Juden und Jüdinnen wurden beraubt, indem oft selbst ernannte "kommissarische Leiter" und Mitglieder der NSDAP ihre Geschäfte übernahmen. Alle jüdischen Firmen (Handels- und Handwerksbetriebe, fabriksmäßige Betriebe, Industrien), Praxen und Kanzleien, aber auch Eigentumswohnungen, Häuser und Liegenschaften wurden in der Folge "arisiert", also in "deutsche Hände" gegeben: durch Kauf (meist zu einem billigen Preis), Versteigerung oder Beschlagnahmung. Jüdische Geschäfte wurden ab dem März 1938 als solche gekennzeichnet. Der Kauf bei Juden war verboten. Nicht-jüdische Geschäftsleute wiederum wiesen ihre Betriebe deutlich als "arische Geschäfte" aus. So wurden aus jüdischen Geschäften alsbald "arische", wie im Falle des Kaufmannes Arnold Lemberger, der sein Warenhaus in der Herzog-Leopold-Straße 3 führte und welches ihm unter Zwang genommen wurde.

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Demütigung - Maria-Theresien-Platz

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Es gibt eine ganze Reihe von Fotografien, die zeigen, wie Soldaten der Deutschen Wehrmacht in den besetzten Gebieten, wie zum Beispiel in Polen, Juden den Bart stutzten oder die Schläfenlocken abschnitten. Aber auch in Wiener Neustadt wurden Juden und Jüdinnen so und in ähnlicher Art und Weise gedemütigt, indem man sie im März 1938 Straßen aufwaschen ließ ("Reibe-Aktionen") oder im November 1938 vor der Synagoge Gras auszupfen ließ ("Judenaktionen" zur "Reichskristallnacht") - um nur zwei Beispiele zu nennen. Einem orthodoxen Juden wurde offensichtlich auf dem Maria-Theresien-Platz das Haar geschnitten.

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Synagoge am Baumkirchnerring

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Die Synagoge am Baumkirchnerring wurde in den Tagen des „Anschlusses“ im März 1938 nicht zum Ziel von Gewaltakten, aber in der so genannten „Reichskristallnacht“. In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 marschierten Nationalsozialisten – von der NSDAP-Parteileitung dazu abkommandiert – in einem Fackelzug zum Baumkirchnerring. Dort wurde das Gebäude, das von Antisemiten als Symbol des jüdischen Einflusses und der Macht interpretiert wurde und damit ein Feindbild des NS-Staates darstellte, demoliert: Teile der Gebäudefront, darunter das große Rundfenster mit dem Davidstern, wurden schwer beschädigt. Die Fenster der Vorderseite gingen fast vollständig zu Bruch. Die gesamte Inneneinrichtung wurde aus der Synagoge entfernt, manches zerstört, anderes (wie einige wertvolle Ausstattungen, z. B. Silberleuchter) gestohlen. Obgleich im gesamten Deutschen Reich viele Synagogen und andere jüdische Kultgebäude in Flammen aufgingen, wurde die Wiener Neustädter Synagoge nicht in Brand gesteckt. Denn das Gebäude befand sich bereits im Eigentum der Stadtgemeinde von Wiener Neustadt. Auf Anweisung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) war am 10. Oktober 1938 die „Übergabe bzw. Übernahme des Tempelgebäudes“ erfolgt. Sie sollte nun von der Schutzstaffel (SS)verwendet werden. In der Zeit des „Novemberpogroms“ wurden mindestens hundert Jüdinnen und Juden in der Synagoge und im Bethaus am Baumkirchnerring inhaftiert. Es waren, nachdem man die Männer ins Gefangenenhaus gebracht hatte, letztlich nur Frauen und Kinder. Den Frauen wurden Unterschriften für „Kaufverträge“ abgepresst, einige der Inhaftierten wurden bedroht und schwer misshandelt. Offiziell wurde die Synagoge am 28. Mai 1940 bzw. am 2. Juli 1940 von der Stadtgemeinde Wiener Neustadt gekauft und als Lager verwendet. Obwohl entsprechende Pläne vorlagen, baute man jene nie zu Wohnungen, einer Bibliothek bzw. Lesehalle oder einem SS-Heim um. Trotz der massiven Bombardierungen der Stadt Wiener Neustadt durch die Alliierten wurde die Synagoge am Baumkirchnerring 4 nie von Bomben getroffen – obwohl dies später immer wieder behauptet worden ist.

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