Synagoge am Baumkirchnerring
ErinnerungsortSynagoge am Baumkirchnerring
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16.243937
Gedenktafel Synagoge – Baumkirchnerring 4 Jüdisches Gotteshaus & Sammellager Am Baumkirchnerring 4 befand sich die Synagoge der jüdischen Gemeinde von Wiener Neustadt, aber auch noch andere wichtige Einrichtungen der IKG waren dort situiert – bis zur Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus der Stadt: Die 1902 hier nach den Plänen von Wilhelm Stiassny errichtete Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) stellte das wichtigste Gebäude für das religiöse Leben der jüdischen Minderheit in Wiener Neustadt dar. In unmittelbarer Nähe befanden sich das Lehr- und Bethaus und ein Schächthaus (Schlachthaus). Neben einem privaten Bethaus der Familie Koppel in der Haidbrunngasse und einem rituellen Tauchbad, dessen Standort unbekannt ist, gab es den jüdischen Friedhof in der Wiener Straße 95. 1938 lebten zirka 870 Juden und Jüdinnen in der Stadt, zwischen rund 650 und 680 von ihnen waren Mitglieder der IKG. Während des „Anschlusspogroms“ im März 1938 wurde die Synagoge nicht zum Ziel von antisemitischen Gewaltakten, aber in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 marschierten Nationalsozialisten in einem Fackelzug zum Baumkirchnerring. Eine Gruppe von Personen drang in das Gebäude ein und begann mit Verwüstungen. Das große Zierfenster an der Gebäudefront, das architektonisch als Davidstern ausgeführt war, wurde zerschlagen und die Bauelemente von einem Angehörigen der Sturmabteilung (SA) abgestemmt, sodass nur noch der runde Rahmen übrig blieb. Das herausgebrochene Material landete vor dem Eingangstor des Gotteshauses. Die Inneneinrichtung wurde entweder geraubt oder zerstört. Die NSDAP-Kreisleitung nahm unter anderem die Matrikenbücher der IKG an sich. Thora-Rollen wurden beschlagnahmt, geschändet und zerrissen. Am Donnerstag, dem 10. November 1938, begann die Verhaftung von Juden und Jüdinnen. Einige von ihnen wurden sofort nach Dachau transportiert. Der größte Teil der noch in der Stadt lebenden Juden und Jüdinnen kam zum zentralen Sammelpunkt: der Liegenschaft Baumkirchnerring 4. Jüdische Frauen und Kinder inhaftierte man in der Synagoge und im Bethaus. Die Sturmabteilung bewachte das Sammellager, bis man alle Inhaftierten ins Gefangenenhaus beim Kreisgericht, wo viele jüdische Männer eingesperrt worden waren, marschieren ließ und dann nach Wien verfrachtete. Nationalsozialisten raubten Wertgegenstände und Geld in jüdischen Wohnungen und Häusern. Das jüdische Eigentum ging in fremden Besitz über. Am 15. November 1938 hatte die Übernahme der Synagoge, des Bethauses (am Baumkirchnerring 4) und des jüdischen Friedhofs (in der Wiener Straße 95) mit allen Gebäuden stattgefunden, und zwar in den „physischen Besitz und Genuss“ der Stadt Wiener Neustadt. Die Synagoge sollte zu einem SS-Heim umfunktioniert werden, was nie umgesetzt wurde, sondern es wurde zu einem Lager. Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Synagoge nie von Bomben getroffen, aber dennoch 1952/53 abgerissen. Das 1953/54 an ihrem Standort erbaute und 1954 eröffnete Haus des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterkammer, das Ende der 1970er Jahre von der Stadtgemeinde erworben worden war, erhielt 1980 in Erinnerung an den verstorbenen Bundesminister für soziale Verwaltung, Anton Proksch, den Namen „Anton-Proksch-Haus“. Eine Gedenktafel erinnert – inhaltlich jedoch nicht völlig korrekt* – an die Geschichte: „Im Jahr 1902 errichtete die Israelitische Kultusgemeinde Wiener Neustadt an dieser Stelle nach Plänen des Wiener Architekten Wilhelm Stiassny eine repräsentative Synagoge im maurischen Stil. Ähnlich wie viele andere Synagogen des Landes ist auch die Wiener Neustädter Synagoge am 9. November 1938 von Nationalsozialisten devastiert und entweiht worden. Durch die darauffolgende gewaltsame Vertreibung aller Juden aus der Stadt hörte die Israelitische Kultusgemeinde zu bestehen auf. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die bombenbeschädigte* ehemalige Synagoge abgetragen.“ Ausführliche Informationen zur Geschichte von Wiener Neustadt finden Sie unter: www.juedische-gemeinde-wn.at Quellen/Literatur:Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.Werner Sulzgruber, Lebenslinien. Jüdische Familien und ihre Schicksale. Eine biografische Reise in die Vergangenheit von Wiener Neustadt, Wien/Horn 2013.Werner Sulzgruber, Novemberpogrom 1938. Die „Reichskristallnacht“ in Wiener Neustadt und der Region. Hintergründe – Entwicklungen – Folgen, Wiener Neustadt 2013.
Der „Eiserne Ritter“ am Domplatz
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Gedenktafel Synagoge – Baumkirchnerring 4
Jüdisches Gotteshaus & Sammellager
Am Baumkirchnerring 4 befand sich die Synagoge der jüdischen Gemeinde von Wiener Neustadt, aber auch noch andere wichtige Einrichtungen der IKG waren dort situiert – bis zur Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus der Stadt:
Die 1902 hier nach den Plänen von Wilhelm Stiassny errichtete Synagoge der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) stellte das wichtigste Gebäude für das religiöse Leben der jüdischen Minderheit in Wiener Neustadt dar. In unmittelbarer Nähe befanden sich das Lehr- und Bethaus und ein Schächthaus (Schlachthaus). Neben einem privaten Bethaus der Familie Koppel in der Haidbrunngasse und einem rituellen Tauchbad, dessen Standort unbekannt ist, gab es den jüdischen Friedhof in der Wiener Straße 95. 1938 lebten zirka 870 Juden und Jüdinnen in der Stadt, zwischen rund 650 und 680 von ihnen waren Mitglieder der IKG.
Während des „Anschlusspogroms“ im März 1938 wurde die Synagoge nicht zum Ziel von antisemitischen Gewaltakten, aber in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 marschierten Nationalsozialisten in einem Fackelzug zum Baumkirchnerring. Eine Gruppe von Personen drang in das Gebäude ein und begann mit Verwüstungen. Das große Zierfenster an der Gebäudefront, das architektonisch als Davidstern ausgeführt war, wurde zerschlagen und die Bauelemente von einem Angehörigen der Sturmabteilung (SA) abgestemmt, sodass nur noch der runde Rahmen übrig blieb. Das herausgebrochene Material landete vor dem Eingangstor des Gotteshauses. Die Inneneinrichtung wurde entweder geraubt oder zerstört.
Die NSDAP-Kreisleitung nahm unter anderem die Matrikenbücher der IKG an sich. Thora-Rollen wurden beschlagnahmt, geschändet und zerrissen. Am Donnerstag, dem 10. November 1938, begann die Verhaftung von Juden und Jüdinnen. Einige von ihnen wurden sofort nach Dachau transportiert. Der größte Teil der noch in der Stadt lebenden Juden und Jüdinnen kam zum zentralen Sammelpunkt: der Liegenschaft Baumkirchnerring 4. Jüdische Frauen und Kinder inhaftierte man in der Synagoge und im Bethaus. Die Sturmabteilung bewachte das Sammellager, bis man alle Inhaftierten ins Gefangenenhaus beim Kreisgericht, wo viele jüdische Männer eingesperrt worden waren, marschieren ließ und dann nach Wien verfrachtete. Nationalsozialisten raubten Wertgegenstände und Geld in jüdischen Wohnungen und Häusern. Das jüdische Eigentum ging in fremden Besitz über.
Am 15. November 1938 hatte die Übernahme der Synagoge, des Bethauses (am Baumkirchnerring 4) und des jüdischen Friedhofs (in der Wiener Straße 95) mit allen Gebäuden stattgefunden, und zwar in den „physischen Besitz und Genuss“ der Stadt Wiener Neustadt. Die Synagoge sollte zu einem SS-Heim umfunktioniert werden, was nie umgesetzt wurde, sondern es wurde zu einem Lager.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Synagoge nie von Bomben getroffen, aber dennoch 1952/53 abgerissen. Das 1953/54 an ihrem Standort erbaute und 1954 eröffnete Haus des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Arbeiterkammer, das Ende der 1970er Jahre von der Stadtgemeinde erworben worden war, erhielt 1980 in Erinnerung an den verstorbenen Bundesminister für soziale Verwaltung, Anton Proksch, den Namen „Anton-Proksch-Haus“. Eine Gedenktafel erinnert – inhaltlich jedoch nicht völlig korrekt* – an die Geschichte:
„Im Jahr 1902 errichtete die Israelitische Kultusgemeinde Wiener Neustadt an dieser Stelle nach Plänen des Wiener Architekten Wilhelm Stiassny eine repräsentative Synagoge im maurischen Stil. Ähnlich wie viele andere Synagogen des Landes ist auch die Wiener Neustädter Synagoge am 9. November 1938 von Nationalsozialisten devastiert und entweiht worden. Durch die darauffolgende gewaltsame Vertreibung aller Juden aus der Stadt hörte die Israelitische Kultusgemeinde zu bestehen auf. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die bombenbeschädigte* ehemalige Synagoge abgetragen.“
Ausführliche Informationen zur Geschichte von Wiener Neustadt finden Sie unter: www.juedische-gemeinde-wn.at
Quellen/Literatur:
Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.
Werner Sulzgruber, Lebenslinien. Jüdische Familien und ihre Schicksale. Eine biografische Reise in die Vergangenheit von Wiener Neustadt, Wien/Horn 2013.
Werner Sulzgruber, Novemberpogrom 1938. Die „Reichskristallnacht“ in Wiener Neustadt und der Region. Hintergründe – Entwicklungen – Folgen, Wiener Neustadt 2013.