Das ehemalige Matrikenamt der IKG - Hauptplatz 11 - Oberrabbiner Weiss
ErinnerungsortDas ehemalige Matrikenamt der IKG - Hauptplatz 11 - Oberrabbiner Weiss
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Das ehemalige Matrikenamt der IKG – Hauptplatz 11 Oberrabbiner Dr. Weiss & Die verschwundenen Matriken der IKG Wiener Neustadt In der Kultusgemeinde Wiener Neustadt waren ab 1871 folgende Personen als Rabbiner tätig: Benjamin Weiss, Dr. Jakob Hoffmann, Dr. Hermann Klein, Dr. Joel Pollak, David Friedmann und zuletzt Dr. Heinrich Weiss. Heinrich Weiss (*1890) war in Pressburg geboren worden, stammte aus der berühmten slowakischen Rabbiner-Familie Sofer (Schreiber) und absolvierte seine Ausbildung zum Rabbiner an der Chatam-Sofer-Talmud-Hochschule in Pressburg. 1924 war er als Gemeinderabbiner der IKG Wiener Neustadt angestellt und 1925 offiziell in sein Amt eingeführt worden. Er genoss aufgrund seiner Herkunft und seiner Bildung hohes Ansehen. Oberrabbiner Weiss hatte 1921 die Tochter des bekannten kaiserlich-königlichen Hofmalers David Kohn, Julie (*1898), geheiratet. Mit ihr und den beiden Kindern Walter (*1927) und Frieda (*1930), wohnte er in den 1920er und 1930er Jahren in einer Wohnung im zweiten Stock des Hauses Hauptplatz 11. Dr. Heinrich Weiss war außerdem als Religionslehrer, beispielsweise am hiesigen Staatsgymnasium, tätig. Im Jahr 1936 wurde er zum Landesschulinspektor für den israelitischen Religionsunterricht in Niederösterreich ernannt und war folglich Mitglied des Bezirksschulrates Wiener Neustadt (Stadt) sowie der Prüfungskommission für allgemeine Volks- und Hauptschulen. Als Oberrabbiner oblag ihm die Betreuung der IKG Wiener Neustadt und ab 1930 auch die der IKG Neunkirchen. Das Matrikenamt der IKG Wiener Neustadt befand sich in der Wohnung von Dr. Weiss. Die jüdische Gemeinde hatte bereits ab den 1860er Jahren Matriken (Geburten-, Heirats-, Sterbebücher) geführt. Im August 1938 wurden die Matriken – aufgrund der anstehenden Ausreise des Oberrabbiners – von dessen Wohnadresse in die Synagoge am Baumkirchnerring 4 gebracht. Doch schon im Oktober mussten die Matriken, aber auch Kanzleibücher und Akten, in das Bethaus neben der Synagoge verlagert werden, weil das Gotteshaus am Baumkirchnerring von der Stadtgemeinde übernommen wurde: Am 10. Oktober 1938 erfolgte die „Übergabe bzw. Übernahme des Tempelgebäudes für die SS-Formation“. Nur wenige Wochen später, nämlich in der „Reichskristallnacht“ im November 1938, nahm die NSDAP-Kreisleitung die Matrikenbücher der IKG an sich. Dann verschwanden diese wichtigen Unterlagen und konnten bis heute nicht gefunden werden. Nach dem „Anschluss“ hatte Oberrabbiner Weiss als zentrale Persönlichkeit der jüdischen Gemeinde mit ansehen müssen, wie die jüdische Minderheit in Wiener Neustadt entrechtet, beraubt und vertrieben wurde. Er hatte sich in höchstem Maße bemüht, jüdische Mitbürger in ihren Anliegen zu unterstützen und zu beraten. Die berechtigte Angst vor der Verhaftung und um das Wohlergehen seiner Familie bewegten ihn letztlich dazu, im Sommer 1938 die Stadt zu verlassen und in die USA zu emigrieren. In New York übernahm er 1939 das Amt des Rabbiners in der Dukla Mogen Avraham Synagogue. Als Schuldirektor und Leiter der Hebräisch-Abteilung der „Rabbi Jacob Joseph School“ entwickelte er diese älteste Talmud-Hochschule der Vereinigten Staaten zu einer führenden Bildungseinrichtung. Dr. Heinrich Weiss starb am 30. September 1954 in New York. Sein Sohn David W. Weiss setzte sich in seinem 2002 erschienen Buch „Flucht und Wiederkehr. Die Reise eines Überlebenden nach Österreich“ mit der Geschichte seiner Familie und den historischen Ereignissen auseinander. Quellen/Literatur: Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010. Werner Sulzgruber, Lebenslinien. Jüdische Familien und ihre Schicksale. Eine biografische Reise in die Vergangenheit von Wiener Neustadt, Wien/Horn 2013. David W. Weiss, Flucht und Wiederkehr. Die Reise eines Überlebenden nach Österreich, Wien 2002.
Das ehemalige Warenhaus Lemberger - Herzog-Leopold-Straße 3 (heute 5)
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Das ehemalige Matrikenamt der IKG – Hauptplatz 11
Oberrabbiner Dr. Weiss & Die verschwundenen Matriken der IKG Wiener Neustadt
In der Kultusgemeinde Wiener Neustadt waren ab 1871 folgende Personen als Rabbiner tätig: Benjamin Weiss, Dr. Jakob Hoffmann, Dr. Hermann Klein, Dr. Joel Pollak, David Friedmann und zuletzt Dr. Heinrich Weiss. Heinrich Weiss (*1890) war in Pressburg geboren worden, stammte aus der berühmten slowakischen Rabbiner-Familie Sofer (Schreiber) und absolvierte seine Ausbildung zum Rabbiner an der Chatam-Sofer-Talmud-Hochschule in Pressburg. 1924 war er als Gemeinderabbiner der IKG Wiener Neustadt angestellt und 1925 offiziell in sein Amt eingeführt worden. Er genoss aufgrund seiner Herkunft und seiner Bildung hohes Ansehen.
Oberrabbiner Weiss hatte 1921 die Tochter des bekannten kaiserlich-königlichen Hofmalers David Kohn, Julie (*1898), geheiratet. Mit ihr und den beiden Kindern Walter (*1927) und Frieda (*1930), wohnte er in den 1920er und 1930er Jahren in einer Wohnung im zweiten Stock des Hauses Hauptplatz 11.
Dr. Heinrich Weiss war außerdem als Religionslehrer, beispielsweise am hiesigen Staatsgymnasium, tätig. Im Jahr 1936 wurde er zum Landesschulinspektor für den israelitischen Religionsunterricht in Niederösterreich ernannt und war folglich Mitglied des Bezirksschulrates Wiener Neustadt (Stadt) sowie der Prüfungskommission für allgemeine Volks- und Hauptschulen. Als Oberrabbiner oblag ihm die Betreuung der IKG Wiener Neustadt und ab 1930 auch die der IKG Neunkirchen.
Das Matrikenamt der IKG Wiener Neustadt befand sich in der Wohnung von Dr. Weiss. Die jüdische Gemeinde hatte bereits ab den 1860er Jahren Matriken (Geburten-, Heirats-, Sterbebücher) geführt. Im August 1938 wurden die Matriken – aufgrund der anstehenden Ausreise des Oberrabbiners – von dessen Wohnadresse in die Synagoge am Baumkirchnerring 4 gebracht. Doch schon im Oktober mussten die Matriken, aber auch Kanzleibücher und Akten, in das Bethaus neben der Synagoge verlagert werden, weil das Gotteshaus am Baumkirchnerring von der Stadtgemeinde übernommen wurde: Am 10. Oktober 1938 erfolgte die „Übergabe bzw. Übernahme des Tempelgebäudes für die SS-Formation“. Nur wenige Wochen später, nämlich in der „Reichskristallnacht“ im November 1938, nahm die NSDAP-Kreisleitung die Matrikenbücher der IKG an sich. Dann verschwanden diese wichtigen Unterlagen und konnten bis heute nicht gefunden werden.
Nach dem „Anschluss“ hatte Oberrabbiner Weiss als zentrale Persönlichkeit der jüdischen Gemeinde mit ansehen müssen, wie die jüdische Minderheit in Wiener Neustadt entrechtet, beraubt und vertrieben wurde. Er hatte sich in höchstem Maße bemüht, jüdische Mitbürger in ihren Anliegen zu unterstützen und zu beraten. Die berechtigte Angst vor der Verhaftung und um das Wohlergehen seiner Familie bewegten ihn letztlich dazu, im Sommer 1938 die Stadt zu verlassen und in die USA zu emigrieren.
In New York übernahm er 1939 das Amt des Rabbiners in der Dukla Mogen Avraham Synagogue. Als Schuldirektor und Leiter der Hebräisch-Abteilung der „Rabbi Jacob Joseph School“ entwickelte er diese älteste Talmud-Hochschule der Vereinigten Staaten zu einer führenden Bildungseinrichtung.
Dr. Heinrich Weiss starb am 30. September 1954 in New York.
Sein Sohn David W. Weiss setzte sich in seinem 2002 erschienen Buch „Flucht und Wiederkehr. Die Reise eines Überlebenden nach Österreich“ mit der Geschichte seiner Familie und den historischen Ereignissen auseinander.
Quellen/Literatur:
Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.
Werner Sulzgruber, Lebenslinien. Jüdische Familien und ihre Schicksale. Eine biografische Reise in die Vergangenheit von Wiener Neustadt, Wien/Horn 2013.
David W. Weiss, Flucht und Wiederkehr. Die Reise eines Überlebenden nach Österreich, Wien 2002.