Wohn- und Geschäftshaus - Hauptplatz 14 - Dr. Berstl
ErinnerungsortWohn- und Geschäftshaus - Hauptplatz 14 - Dr. Berstl
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Wohn- und Geschäftshaus – Hauptplatz 14 Jüdische Rechtsanwälte & Dr. jur. Emanuel Berstl Nicht nur die Anzahl der jüdischen Ärzte war in Wiener Neustadt hoch, sondern auch die der jüdischen Rechtsanwälte, denn diese bildeten fast die Hälfte der Anwälte der Stadt. Juden dieses Berufsstandes waren nicht streng religiös, sie hatten sich zumeist stark angepasst und oft ihre Konfession gewechselt. Unter den Rechtsanwälten finden sich berühmte Persönlichkeiten, wie zum Beispiels Dr. Emanuel Berstl (1865-1937), der in Kollegenkreisen als „erster Anwalt des Jahrhunderts“ bezeichnet wurde, so manche illegalen NSDAP-Mitglieder aus der Stadt verteidigte und als „sozialdemokratischer Arbeiterführer“ in die Regionalgeschichte einging: Emanuel Berstl war am 24. Dezember 1865 in Pirnitz in Mähren geboren worden. Er studierte Rechtswissenschaften in Wien, promovierte 1889 und arbeitete folglich beim Straf-, Zivil- und Handelsgericht Wien und am Bezirksgericht Neunkirchen. Im Industrieviertel wurde er mit den Anliegen der Arbeiterschaft konfrontiert und kam mit sozialdemokratischen Politikern, wie Viktor Adler, Karl Renner und Karl Seitz, in Kontakt. Berstl wurde schließlich zum „Arbeiterführer“, weil er sich unter anderem aktiv für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft einsetzte und in Neunkirchen einen Generalstreik initiierte. Die Beweggründe für sein politisches Handeln – das revolutionär war – lagen letztlich darin, die sozialen Verhältnisse zu verbessern und aufzuklären. Zu seinen Leistungen in diesem Bereich zählte die Gründung der „Neunkirchner Volkszeitung“ (1895) und der Wiener Neustädter „Arbeiterwohnbauvereinigung“ (um Abhilfe gegen die damals drückende Wohnungsnot zu schaffen). Dr. Berstl zog sich zur Jahrhundertwende aus dem politischen Leben zurück, wechselte seinen Wohnort und eröffnete in Wiener Neustadt eine Anwaltskanzlei am Hauptplatz 14. Er wählte dazu ein magisches Datum, nämlich den 1. Jänner 1900, das ihn zum „ersten Anwalt des Jahrhunderts“ werden ließ – ein kluger Kunstgriff, denn damit konnte Berstl zurecht werben. Berstl war ein gefragter Advokat, den sich auch Nationalsozialisten als Rechtsbeistand aussuchten, wie zum Beispiel der „Halbkreisleiter der NSDAP für das Steinfeld“ Ing. Ferdinand Ulz, der ab 1938 zum NSDAP-Kreisleiter werden sollte. 1901 heiratete Dr. Berstl Irene Engel (*1877), die ihm zwei Kinder schenkte, Margarete (*1902) und Friedrich (*1905). Dr. Berstl erkrankte am Ende seines arbeitsreichen Lebens und verstarb am 4. Jänner 1937. Am 5. Dezember 1937 starb auch seine Witwe an den Folgen eines Unfalls. Das Haus der Familie, die bekannte „Villa Berstl“ im Stadtpark, Promenade 4, wurde „arisiert“ und die NS-Stadtregierung brachte darin das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) unter. Heute ist Dr. Emanuel Berstl nahezu vergessen. Quellen/Literatur: Gerhard Milchram, Heilige Gemeinde Neunkirchen. Eine jüdische Heimatgeschichte, Wien 2000. Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.
Wohn- und Geschäftshaus - Hauptplatz 21 - Dr. Stern
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Wohn- und Geschäftshaus – Hauptplatz 14
Jüdische Rechtsanwälte & Dr. jur. Emanuel Berstl
Nicht nur die Anzahl der jüdischen Ärzte war in Wiener Neustadt hoch, sondern auch die der jüdischen Rechtsanwälte, denn diese bildeten fast die Hälfte der Anwälte der Stadt. Juden dieses Berufsstandes waren nicht streng religiös, sie hatten sich zumeist stark angepasst und oft ihre Konfession gewechselt.
Unter den Rechtsanwälten finden sich berühmte Persönlichkeiten, wie zum Beispiels Dr. Emanuel Berstl (1865-1937), der in Kollegenkreisen als „erster Anwalt des Jahrhunderts“ bezeichnet wurde, so manche illegalen NSDAP-Mitglieder aus der Stadt verteidigte und als „sozialdemokratischer Arbeiterführer“ in die Regionalgeschichte einging:
Emanuel Berstl war am 24. Dezember 1865 in Pirnitz in Mähren geboren worden. Er studierte Rechtswissenschaften in Wien, promovierte 1889 und arbeitete folglich beim Straf-, Zivil- und Handelsgericht Wien und am Bezirksgericht Neunkirchen. Im Industrieviertel wurde er mit den Anliegen der Arbeiterschaft konfrontiert und kam mit sozialdemokratischen Politikern, wie Viktor Adler, Karl Renner und Karl Seitz, in Kontakt. Berstl wurde schließlich zum „Arbeiterführer“, weil er sich unter anderem aktiv für bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen der Arbeiterschaft einsetzte und in Neunkirchen einen Generalstreik initiierte. Die Beweggründe für sein politisches Handeln – das revolutionär war – lagen letztlich darin, die sozialen Verhältnisse zu verbessern und aufzuklären. Zu seinen Leistungen in diesem Bereich zählte die Gründung der „Neunkirchner Volkszeitung“ (1895) und der Wiener Neustädter „Arbeiterwohnbauvereinigung“ (um Abhilfe gegen die damals drückende Wohnungsnot zu schaffen).
Dr. Berstl zog sich zur Jahrhundertwende aus dem politischen Leben zurück, wechselte seinen Wohnort und eröffnete in Wiener Neustadt eine Anwaltskanzlei am Hauptplatz 14. Er wählte dazu ein magisches Datum, nämlich den 1. Jänner 1900, das ihn zum „ersten Anwalt des Jahrhunderts“ werden ließ – ein kluger Kunstgriff, denn damit konnte Berstl zurecht werben. Berstl war ein gefragter Advokat, den sich auch Nationalsozialisten als Rechtsbeistand aussuchten, wie zum Beispiel der „Halbkreisleiter der NSDAP für das Steinfeld“ Ing. Ferdinand Ulz, der ab 1938 zum NSDAP-Kreisleiter werden sollte.
1901 heiratete Dr. Berstl Irene Engel (*1877), die ihm zwei Kinder schenkte, Margarete (*1902) und Friedrich (*1905). Dr. Berstl erkrankte am Ende seines arbeitsreichen Lebens und verstarb am 4. Jänner 1937. Am 5. Dezember 1937 starb auch seine Witwe an den Folgen eines Unfalls.
Das Haus der Familie, die bekannte „Villa Berstl“ im Stadtpark, Promenade 4, wurde „arisiert“ und die NS-Stadtregierung brachte darin das Nationalsozialistische Kraftfahrkorps (NSKK) unter. Heute ist Dr. Emanuel Berstl nahezu vergessen.
Quellen/Literatur:
Gerhard Milchram, Heilige Gemeinde Neunkirchen. Eine jüdische Heimatgeschichte, Wien 2000.
Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.