Wiener Neustädter Dom - Domplatz - Fresken
ErinnerungsortWiener Neustädter Dom - Domplatz - Fresken
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Wiener Neustädter Dom Fresken des 13. Jahrhunderts Die jüdische Bevölkerung lebte im Mittelalter im Spannungsfeld zwischen Formen der Privilegierung und des Schutzes (durch Kaiser bzw. Landesfürst) sowie Maßnahmen der Ausgrenzung und Diskriminierung. Der religiöse Antisemitismus zeigt sich an zwei Fresken in der mittelalterlichen Pfarrkirche der Stadt (dem 1279 eingeweihten Liebfrauendom). Der Umstand, dass es sich sogar um zwei solcher Fresken handelt, ist etwas ganz Besonderes im Vergleich zu anderen Städten und Kirchen Mitteleuropas. Beide Fresken stammen aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts, also aus jener Zeit, als die christliche Stadtbevölkerung begonnen hatte, sich im fertig gestellten Gotteshaus zu versammeln. Juden werden in der damals typischen Form, beispielsweise gekennzeichnet mit dem „Judenhut“ (pileus cornutus, gehörnter Hut), bildlich dargestellt. Zum einen ist im Mittelschiff auf einem Spitzbogen ein Wandgemälde zu sehen, auf dessen rechter Seite man einen Engel mit einem Schwert erkennt, der eine Gruppe von Personen vor sich hertreibt. Es ist die Figur des Erzengels Michael. Diese Gruppe der Verdammten wird von einer hundeähnlichen Gestalt an einem Seil, das allen um den Hals geschlungen ist, geführt. Unter jenen, die hier in die Hölle getrieben werden, sind auch drei Juden (erkennbar an den drei Judenhut-Spitzen) abgebildet. Zum anderen ist im nördlichen Seitenschiff eine vergleichbare Szene dargestellt: „Christus als Weltenrichter“. Zu seiner Linken ist es wieder eine Gruppe der Verdammten, was auch aus dem Inhalt des Schriftbandes hervorgeht, wo es heißt: „Hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer“ (Discedite maledicti in ignem eternum). Zwei Juden, die einen „Judenhut“ tragen, sind die ersten, die an der Kette oder Hals-Fiedel in die Hölle gebracht werden. Neuerlich sind teuflische Wesen dargestellt, darunter eines mit einem Wolfs- oder Hundekopf – möglicherweise sinnbildlich für den Höllenschlund oder etwas Schlangenhaftes und demnach Böses. Die Spitzen der „Judenhüte“ auf dem Fresko des Seitenschiffes, aber auch des Mittelschiffes, sind zum Beispiel der Form des in der berühmten Manessischen Liederhandschrift (einer Minnesänger-Handschrift des frühen 14. Jahrhunderts) überlieferten „Judenhutes“ sehr ähnlich. Darstellungen von Juden finden sich auch in und an anderen Kirchen in Österreich. So lässt sich zum Beispiel auf dem Fries über den Ziersäulen am Riesentor des Wiener Stephansdomes ein Kopf mit einem zugespitzten Hut erkennen. In der Pfarrkirche Hl. Simon und Juda in Pabneukirchen in Oberösterreich stößt man auf Fresken mit Judenhüten. Aber im Unterschied zu allen anderen christlichen Kirchen sind die Fresken im Dom von Wiener Neustadt sowohl durch ihre Anzahl als auch ihr Alter höchst bemerkenswert. Der christlichen Bevölkerung, die in der Kirche ihren Gottesdienst feierte, wurde mit den bildlichen Darstellungen regelmäßig vor Augen geführt, dass Juden als Andersgläubige in die Hölle kommen. Sie seien nicht jene, die den rechten Glauben haben. Sie wurden bekanntlich beschuldigt, die Schuld am Tod Jesu zu tragen („Mörder Christi“) und Menschenblut (von christlichen Kindern) zu rituellen Zwecken zu verwenden. Hinzu kamen Hostienschändungslegenden und Ritualmordlegenden (wie zum Beispiel über Simon von Trient, Anderl von Rinn und Rudolf von Bern). Die christlichen Wortführer kritisierten die Andersartigkeit der jüdischen Riten und prägten ihren Ruf, hochmütig zu sein und sich als das „auserwählte Volk“ zu sehen. Obwohl sich im Dom diese beiden Fresken finden und im Mittelalter blutige Verfolgungen stattfanden – man denke nur an das Jahr 1338 und die von Pulkau ausgehenden Übergriffe in Niederösterreich oder an die Pogrome der Pestjahre 1348/49 – blieb die Neustadt davon verschont. Quellen/Literatur: Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.
Der ehemalige Kleiderhandel Schischa - Domgasse 3
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Wiener Neustädter Dom
Fresken des 13. Jahrhunderts
Die jüdische Bevölkerung lebte im Mittelalter im Spannungsfeld zwischen Formen der Privilegierung und des Schutzes (durch Kaiser bzw. Landesfürst) sowie Maßnahmen der Ausgrenzung und Diskriminierung. Der religiöse Antisemitismus zeigt sich an zwei Fresken in der mittelalterlichen Pfarrkirche der Stadt (dem 1279 eingeweihten Liebfrauendom). Der Umstand, dass es sich sogar um zwei solcher Fresken handelt, ist etwas ganz Besonderes im Vergleich zu anderen Städten und Kirchen Mitteleuropas.
Beide Fresken stammen aus dem letzten Viertel des 13. Jahrhunderts, also aus jener Zeit, als die christliche Stadtbevölkerung begonnen hatte, sich im fertig gestellten Gotteshaus zu versammeln. Juden werden in der damals typischen Form, beispielsweise gekennzeichnet mit dem „Judenhut“ (pileus cornutus, gehörnter Hut), bildlich dargestellt.
Zum einen ist im Mittelschiff auf einem Spitzbogen ein Wandgemälde zu sehen, auf dessen rechter Seite man einen Engel mit einem Schwert erkennt, der eine Gruppe von Personen vor sich hertreibt. Es ist die Figur des Erzengels Michael. Diese Gruppe der Verdammten wird von einer hundeähnlichen Gestalt an einem Seil, das allen um den Hals geschlungen ist, geführt. Unter jenen, die hier in die Hölle getrieben werden, sind auch drei Juden (erkennbar an den drei Judenhut-Spitzen) abgebildet.
Zum anderen ist im nördlichen Seitenschiff eine vergleichbare Szene dargestellt: „Christus als Weltenrichter“. Zu seiner Linken ist es wieder eine Gruppe der Verdammten, was auch aus dem Inhalt des Schriftbandes hervorgeht, wo es heißt: „Hinweg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer“ (Discedite maledicti in ignem eternum). Zwei Juden, die einen „Judenhut“ tragen, sind die ersten, die an der Kette oder Hals-Fiedel in die Hölle gebracht werden. Neuerlich sind teuflische Wesen dargestellt, darunter eines mit einem Wolfs- oder Hundekopf – möglicherweise sinnbildlich für den Höllenschlund oder etwas Schlangenhaftes und demnach Böses. Die Spitzen der „Judenhüte“ auf dem Fresko des Seitenschiffes, aber auch des Mittelschiffes, sind zum Beispiel der Form des in der berühmten Manessischen Liederhandschrift (einer Minnesänger-Handschrift des frühen 14. Jahrhunderts) überlieferten „Judenhutes“ sehr ähnlich.
Darstellungen von Juden finden sich auch in und an anderen Kirchen in Österreich. So lässt sich zum Beispiel auf dem Fries über den Ziersäulen am Riesentor des Wiener Stephansdomes ein Kopf mit einem zugespitzten Hut erkennen. In der Pfarrkirche Hl. Simon und Juda in Pabneukirchen in Oberösterreich stößt man auf Fresken mit Judenhüten. Aber im Unterschied zu allen anderen christlichen Kirchen sind die Fresken im Dom von Wiener Neustadt sowohl durch ihre Anzahl als auch ihr Alter höchst bemerkenswert.
Der christlichen Bevölkerung, die in der Kirche ihren Gottesdienst feierte, wurde mit den bildlichen Darstellungen regelmäßig vor Augen geführt, dass Juden als Andersgläubige in die Hölle kommen. Sie seien nicht jene, die den rechten Glauben haben. Sie wurden bekanntlich beschuldigt, die Schuld am Tod Jesu zu tragen („Mörder Christi“) und Menschenblut (von christlichen Kindern) zu rituellen Zwecken zu verwenden. Hinzu kamen Hostienschändungslegenden und Ritualmordlegenden (wie zum Beispiel über Simon von Trient, Anderl von Rinn und Rudolf von Bern). Die christlichen Wortführer kritisierten die Andersartigkeit der jüdischen Riten und prägten ihren Ruf, hochmütig zu sein und sich als das „auserwählte Volk“ zu sehen.
Obwohl sich im Dom diese beiden Fresken finden und im Mittelalter blutige Verfolgungen stattfanden – man denke nur an das Jahr 1338 und die von Pulkau ausgehenden Übergriffe in Niederösterreich oder an die Pogrome der Pestjahre 1348/49 – blieb die Neustadt davon verschont.
Quellen/Literatur:
Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.