Ein Wiener Neustädter Spielcasino

Erinnerungsort

Ein Wiener Neustädter Spielcasino

47.810800

16.241458

Bahngasse 17, 19-21 Vom Café „Casino“ zur Tanz-Diele und dem Konzert-Café Casino Bank – Ein Wiener Neustädter Spielcasino   Der Weg zum Casino Bank Kaum jemandem ist bekannt, dass es in Niederösterreich einst ein Spielcasino gab, das über mehrere Jahrzehnte Bestand hatte und sich in der Bahngasse 17 bzw. 19-21 befand. In Reiseführern vor der Jahrhundertwende ist von einem „modernen Casinogebäude“ in der Bahngasse die Rede. Das jedenfalls schon in den frühen 90er Jahren des 19. Jahrhunderts betriebene Café „Casino“ trug seinen Namen deshalb, weil man vom eigentlichen Kaffeehaus im Erdgeschoß in ein Spielcasino im ersten Stock gelangte. Am Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Casino jedoch durch eine Tanzschule ersetzt.  Julius Bank, der spätere Eigentümer des Cafés in der Bahngasse 17, das nun „Konzert-Café Bank“ hieß, setzte die Tradition fort und richtete in den 1920er Jahren neuerlich ein Casino ein, allerdings nicht im Haus Bahngasse 17, sondern im Innenhof des Nebengebäudes Nr. 19-21, wo mehrere „Spielzimmer“ erbaut wurden. Es handelte sich um kleine Häuschen ohne Fenster, aber mit Glas-Oberlichten. Wenn man dem Karten- oder Glücksspiel nachgehen wollte, so erreichte man den Innenhof entweder vom Kaffeehaus oder vom Gastgarten (der sich zwischen dem Gebäude Bahngasse 21 und der Grenzmauer zum Kapuziner-Kloster bzw. der Kirche befand). Unbeobachtet, aber mit Getränken, Speisen und Rauchwaren bestens versorgt, konnte man damals in den versteckten Räumlichkeiten spielen und sein Glück versuchen. Aber nicht alles war erlaubt, sondern man hatte sich an legale Spiele – erlaubte Glücksspiele – zu halten. Zu den verbotenen Glücksspielen zählten dereinst beispielsweise Baccara, Poker, Roulette und Würfeln. Das Casino der Steinfeldstadt wurde gezielt beworben und war also Teil des berühmten Café Bank, des größten Kaffeehauses der Stadt. Gäste der bürgerlichen Gesellschaft kamen aus der Region und aus Wien, um an den vielfältigen Veranstaltungen teilzunehmen: an Musik-Konzerten, Gesangsabenden, Matinees, Kabaretts und anderen Unterhaltungsangeboten. In den Klub- und Spielzimmern verspielten die Männer, ob Tag oder Nacht, so manche Krone bzw. so manchen Schilling.    Ein Blick zurück: Spiel, Tanz und Musik in Wiener Neustadt – Verbote für das 18./19. Jahrhundert  Das Haus Bahngasse 17 stand über viele Jahrzehnte außerdem in Zusammenhang mit dem Tanz- und Musikwesen von Wiener Neustadt, da sich dort nicht nur das Café Bank mit seiner Tanz-Diele befunden hatte, sondern auch mehrere Tanzschulen (zuletzt von 1946 bis 1969 die Tanzschule Resnicek) und bis 1969 das Vereinslokal des „Wiener Neustädter Männergesangsvereins“. Blickt man zurück in die Geschichte von Wiener Neustadt, dann wird einem schnell bewusst, dass die Möglichkeiten für Spiel, Tanz und Musik höchst eingeschränkt waren. Mitte des 18. Jahrhunderts, als die Militärakademie von Kaiserin Maria Theresia gegründet wurde, hätte man nicht daran zu denken gewagt, dass in Wiener Neustadt einmal ein Casino eröffnen würde. Auf den Bällen der Spätbarockzeit durften sich die Gäste lokaler Ball-Festlichkeiten höchstens mit „erlaubten Kartenspielen“ unterhalten, nachdem sie dafür eine Gebühr erlegt hatten (wie in der sogenannten „Nobelballordnung“ von 1752 vorgeschrieben). Aber auch in den Bereichen Musik und Tanz hatte man sich sowohl an Konventionen und gesellschaftliche Normen als auch an gesetzliche Richtlinien zu halten. Die Unterhaltungen der städtischen Bevölkerung waren stark reglementiert und überwacht gewesen, insbesondere in den Jahrzehnten vor der Bürgerlichen Revolution von 1848: Zum Beispiel war in Wiener Neustadt bis in die Zeit um 1800 das Errichten von „Tanzhütten“ untersagt gewesen. Selbst das „Kreisel-Spiel“ war verboten, da man es als durchaus „schädlich“ für die Bewohner ansah. Man wollte keine umherziehenden „Musikantenbanden“ und ohne Erlaubnis spielenden Musikanten. Das Spielen von Tanzmusik war an Wochentagen sogar grundsätzlich verboten, es wurde an Feiertagsvormittagen als „unstatthaft“ erklärt und an Sonn- und Feiertagen nur bis Mitternacht erlaubt. Der Obrigkeit war die Tanzmusik, ebenso wie Zechgelage und das Spielen in den Wirtshäusern, ein Dorn im Auge. Und so verwundert es nicht, dass sich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Verboten gegen öffentliche Musik- und Tanzveranstaltungen richtete. Insbesondere das religiöse Leben sollte in der Stadt nicht gestört werden, weshalb beispielsweise 1826 Verbotstage für Bälle und Tanzmusik festgeschrieben wurden.   Josef Trapp und das erste Casino in Wiener Neustadt In der Steinfeldstadt stand der Name Josef Trapp für Tanz und Musikunterhaltung. Er war seit 1758 „Turnermeister“ („Thürmermeister“), also ein Kapellmeister, der die Leitung von Musikern in einer Stadt innehatte und Angestellter der Stadt war. Deshalb wurde Trapp als „Instrumentalmusikdirektor“ der Hauptpfarrkirche bezeichnet. Er förderte das Freizeit- und Unterhaltungsleben von Wiener Neustadt, indem er in der Stadt erstmals mehrere Neuerungen in diesem Bereich initiierte: Im Jahr 1785 war es durch ihn zum Beispiel zur Errichtung des ersten Casinos in Wiener Neustadt gekommen. Welche Spiele in diesem Casino der Unterhaltung dienten, wissen wir zwar nicht, aber vermutlich war es das in den Gasthäusern und privaten Kreisen übliche Kartenspiel, dem die männliche Gästeschar dort frönte. Der genaue Ort, an dem sich das erste Casino befand, ist nicht überliefert.    Der Wiener Neustädter Redoutensaal Im Jahr 1800 bespielte der Turnermeister Trapp, der mit der sogenannten „Turnergesellschaft“, also der städtischen Musikkapelle auftrat, einen eigenen Tanzsaal: den Wiener Neustädter „Redoutensaal“ (der wohl in Anlehnung an denselben in der Wiener Hofburg so bezeichnet wurde). Dieser Saal befand sich in einem ehemaligen Kirchengebäude, nämlich im östlichen Teil der Kirche des Paulinerklosters. Dieses war mit seiner Kirche profaniert worden und von 1780 bis 1782 zu einer Kaserne umgebaut worden. Das Paulinerkloster lag unweit der Militärakademie in der Niederländergasse (heute Grazer Straße 97, nördlich der Akademie). 1793 hatte die Umgestaltung zum „Redoutensaal“ stattgefunden. 1810 wurde der „Redoutensaal“ an Georg Frank, Trapps Nachfolger als Turnermeister, verkauft. Die Maßnahmen gegen die Tanz- und Musikveranstaltungen nahmen in der Folgezeit kontinuierlich ab und mit der Gründung des Musikvereins (erstmals 1825, dauerhaft mit 1870/71), des ersten Wiener Neustädter Männergesangsvereins (1846) und von mehreren Arbeitergesangs- und Arbeitermusikvereinen (1865 Arbeitermusikkapelle, 1867 Arbeitergesangsverein „Frohsinn“ etc.) zog ein wohl organisiertes Musikwesen in Wiener Neustadt ein.   Website (Station eines Online-Stadtspazierganges zur jüdischen Geschichte von Wiener Neustadt): http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/stadtspaziergang-juedisches-wr-neustadt-mit-abstechern/pplace/484?pfadid=6  

Bahngasse 17, 19-21

Vom Café „Casino“ zur Tanz-Diele und dem Konzert-Café Casino Bank – Ein Wiener Neustädter Spielcasino

 

Der Weg zum Casino Bank

Kaum jemandem ist bekannt, dass es in Niederösterreich einst ein Spielcasino gab, das über mehrere Jahrzehnte Bestand hatte und sich in der Bahngasse 17 bzw. 19-21 befand. In Reiseführern vor der Jahrhundertwende ist von einem „modernen Casinogebäude“ in der Bahngasse die Rede. Das jedenfalls schon in den frühen 90er Jahren des 19. Jahrhunderts betriebene Café „Casino“ trug seinen Namen deshalb, weil man vom eigentlichen Kaffeehaus im Erdgeschoß in ein Spielcasino im ersten Stock gelangte. Am Beginn des 20. Jahrhunderts wurde das Casino jedoch durch eine Tanzschule ersetzt. 

Julius Bank, der spätere Eigentümer des Cafés in der Bahngasse 17, das nun „Konzert-Café Bank“ hieß, setzte die Tradition fort und richtete in den 1920er Jahren neuerlich ein Casino ein, allerdings nicht im Haus Bahngasse 17, sondern im Innenhof des Nebengebäudes Nr. 19-21, wo mehrere „Spielzimmer“ erbaut wurden. Es handelte sich um kleine Häuschen ohne Fenster, aber mit Glas-Oberlichten. Wenn man dem Karten- oder Glücksspiel nachgehen wollte, so erreichte man den Innenhof entweder vom Kaffeehaus oder vom Gastgarten (der sich zwischen dem Gebäude Bahngasse 21 und der Grenzmauer zum Kapuziner-Kloster bzw. der Kirche befand). Unbeobachtet, aber mit Getränken, Speisen und Rauchwaren bestens versorgt, konnte man damals in den versteckten Räumlichkeiten spielen und sein Glück versuchen. Aber nicht alles war erlaubt, sondern man hatte sich an legale Spiele – erlaubte Glücksspiele – zu halten. Zu den verbotenen Glücksspielen zählten dereinst beispielsweise Baccara, Poker, Roulette und Würfeln.

Das Casino der Steinfeldstadt wurde gezielt beworben und war also Teil des berühmten Café Bank, des größten Kaffeehauses der Stadt. Gäste der bürgerlichen Gesellschaft kamen aus der Region und aus Wien, um an den vielfältigen Veranstaltungen teilzunehmen: an Musik-Konzerten, Gesangsabenden, Matinees, Kabaretts und anderen Unterhaltungsangeboten. In den Klub- und Spielzimmern verspielten die Männer, ob Tag oder Nacht, so manche Krone bzw. so manchen Schilling. 

 

Ein Blick zurück: Spiel, Tanz und Musik in Wiener Neustadt – Verbote für das 18./19. Jahrhundert 

Das Haus Bahngasse 17 stand über viele Jahrzehnte außerdem in Zusammenhang mit dem Tanz- und Musikwesen von Wiener Neustadt, da sich dort nicht nur das Café Bank mit seiner Tanz-Diele befunden hatte, sondern auch mehrere Tanzschulen (zuletzt von 1946 bis 1969 die Tanzschule Resnicek) und bis 1969 das Vereinslokal des „Wiener Neustädter Männergesangsvereins“.

Blickt man zurück in die Geschichte von Wiener Neustadt, dann wird einem schnell bewusst, dass die Möglichkeiten für Spiel, Tanz und Musik höchst eingeschränkt waren. Mitte des 18. Jahrhunderts, als die Militärakademie von Kaiserin Maria Theresia gegründet wurde, hätte man nicht daran zu denken gewagt, dass in Wiener Neustadt einmal ein Casino eröffnen würde. Auf den Bällen der Spätbarockzeit durften sich die Gäste lokaler Ball-Festlichkeiten höchstens mit „erlaubten Kartenspielen“ unterhalten, nachdem sie dafür eine Gebühr erlegt hatten (wie in der sogenannten „Nobelballordnung“ von 1752 vorgeschrieben). Aber auch in den Bereichen Musik und Tanz hatte man sich sowohl an Konventionen und gesellschaftliche Normen als auch an gesetzliche Richtlinien zu halten.

Die Unterhaltungen der städtischen Bevölkerung waren stark reglementiert und überwacht gewesen, insbesondere in den Jahrzehnten vor der Bürgerlichen Revolution von 1848: Zum Beispiel war in Wiener Neustadt bis in die Zeit um 1800 das Errichten von „Tanzhütten“ untersagt gewesen. Selbst das „Kreisel-Spiel“ war verboten, da man es als durchaus „schädlich“ für die Bewohner ansah. Man wollte keine umherziehenden „Musikantenbanden“ und ohne Erlaubnis spielenden Musikanten. Das Spielen von Tanzmusik war an Wochentagen sogar grundsätzlich verboten, es wurde an Feiertagsvormittagen als „unstatthaft“ erklärt und an Sonn- und Feiertagen nur bis Mitternacht erlaubt. Der Obrigkeit war die Tanzmusik, ebenso wie Zechgelage und das Spielen in den Wirtshäusern, ein Dorn im Auge. Und so verwundert es nicht, dass sich im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts eine ganze Reihe von Verboten gegen öffentliche Musik- und Tanzveranstaltungen richtete. Insbesondere das religiöse Leben sollte in der Stadt nicht gestört werden, weshalb beispielsweise 1826 Verbotstage für Bälle und Tanzmusik festgeschrieben wurden.

 

Josef Trapp und das erste Casino in Wiener Neustadt

In der Steinfeldstadt stand der Name Josef Trapp für Tanz und Musikunterhaltung. Er war seit 1758 „Turnermeister“ („Thürmermeister“), also ein Kapellmeister, der die Leitung von Musikern in einer Stadt innehatte und Angestellter der Stadt war. Deshalb wurde Trapp als „Instrumentalmusikdirektor“ der Hauptpfarrkirche bezeichnet. Er förderte das Freizeit- und Unterhaltungsleben von Wiener Neustadt, indem er in der Stadt erstmals mehrere Neuerungen in diesem Bereich initiierte:

Im Jahr 1785 war es durch ihn zum Beispiel zur Errichtung des ersten Casinos in Wiener Neustadt gekommen. Welche Spiele in diesem Casino der Unterhaltung dienten, wissen wir zwar nicht, aber vermutlich war es das in den Gasthäusern und privaten Kreisen übliche Kartenspiel, dem die männliche Gästeschar dort frönte. Der genaue Ort, an dem sich das erste Casino befand, ist nicht überliefert. 

 

Der Wiener Neustädter Redoutensaal

Im Jahr 1800 bespielte der Turnermeister Trapp, der mit der sogenannten „Turnergesellschaft“, also der städtischen Musikkapelle auftrat, einen eigenen Tanzsaal: den Wiener Neustädter „Redoutensaal“ (der wohl in Anlehnung an denselben in der Wiener Hofburg so bezeichnet wurde). Dieser Saal befand sich in einem ehemaligen Kirchengebäude, nämlich im östlichen Teil der Kirche des Paulinerklosters. Dieses war mit seiner Kirche profaniert worden und von 1780 bis 1782 zu einer Kaserne umgebaut worden. Das Paulinerkloster lag unweit der Militärakademie in der Niederländergasse (heute Grazer Straße 97, nördlich der Akademie). 1793 hatte die Umgestaltung zum „Redoutensaal“ stattgefunden. 1810 wurde der „Redoutensaal“ an Georg Frank, Trapps Nachfolger als Turnermeister, verkauft.

Die Maßnahmen gegen die Tanz- und Musikveranstaltungen nahmen in der Folgezeit kontinuierlich ab und mit der Gründung des Musikvereins (erstmals 1825, dauerhaft mit 1870/71), des ersten Wiener Neustädter Männergesangsvereins (1846) und von mehreren Arbeitergesangs- und Arbeitermusikvereinen (1865 Arbeitermusikkapelle, 1867 Arbeitergesangsverein „Frohsinn“ etc.) zog ein wohl organisiertes Musikwesen in Wiener Neustadt ein.

 

Website (Station eines Online-Stadtspazierganges zur jüdischen Geschichte von Wiener Neustadt):

http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/stadtspaziergang-juedisches-wr-neustadt-mit-abstechern/pplace/484?pfadid=6

 

Bilder

Haus der Firma Leiner an der Stelle des einstigen Spielcasinos

Datierung: 2015 Quelle: Sammlung Sulzgruber Autor: Marcel Billaudet Copyright: Marcel Billaudet Zusatzinfo: Foto

Café Bank in der Bahngasse 17 vor dem Ausbau zum Casino, 1920er Jahre

Datierung: 1920er Jahre Quelle: Sammlung Sulzgruber Autor: unbekannt Zusatzinfo: Foto

Nahaufnahme des Gebäudes des Café Bank mit der Tanzschule Resnicek, 1950er Jahre

Datierung: 1950er Jahre Quelle: Sammlung Setznagl Autor: Verlag Egelseer Zusatzinfo: Foto als Postkarte

Gebäude Bahngasse 19-21, in dessen Innenhof das Spielcasino war, 1930

Datierung: 1930 Quelle: Sammlung Witetschka Autor: Verlag Ledermann, Wien Zusatzinfo: Foto als Postkarte

Zugang zum Gastgarten des Café Bank von der Bahngasse und weiter ins Casino, 1929

Datierung: 1929 Quelle: Sammlung Witetschka Autor: Verlag Kuderna Zusatzinfo: Foto als Postkarte

Julius Bank, in der ersten Reihe rechts, der Wieder-Begründer des Casinos, mit seiner Familie, 1920er Jahre

Datierung: 1920er Jahre Quelle: Sammlung Sulzgruber und Barry Bank Autor: unbekannt Zusatzinfo: Foto

Münze des Café Bank, ähnlich einem Jeton, 1947

Datierung: 1947 Quelle: Sammlung Setznagl Autor: Rudolf Setznagl Zusatzinfo: Foto