Das „Sgraffitohaus“ – Herausgeputztes
ErinnerungsortDas „Sgraffitohaus“ – Herausgeputztes
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Neunkirchner Straße 19 Das „Sgraffitohaus“ – Herausgeputztes Die Geschichte des Gebäudes Das Gebäude Neunkirchner Straße 19 ist ein zweigeschoßiges Bauwerk aus dem Mittelalter und stammt im Kern aus dem 14. Jahrhundert. Dieser historischen Zeitphase sind das kreuzrippengewölbte Erdgeschoß und ein gotisches Maßwerkfenster im ersten Obergeschoß zuzurechnen. 1584 wurde das Haus renoviert. Die Sgraffito-Fassade entstand in der Renaissance, worauf die Jahreszahl 1584 in den Fensterzwickeln hinweist, und beeindruckt mit den ornamentalen Fensterrahmungen und der Portalrahmung. Bei einem genaueren Blick auf die Details stößt man beispielsweise auf Natur- und Blumen-Formen, Bewaffnete, Fabelwesen und -tiere, vielleicht auch auf Narren-Gestalten, jedenfalls mehrfach auf Meerjungfrauen. Letzteres ist bemerkenswert, weil wir es angesichts der Entstehungszeit des Sgraffito mit einer Epoche der Schifffahrt und der Zeit der Entdeckungen zu tun haben. In dieser Zeit gelangten auch viele Legenden auf den alten Kontinent Europa und in das Habsburgerreich – beeinflusst von seit dem Mittelalter rezipierten und zitierten Schriften, wie der „Naturgeschichte“ („naturalis historia“) von Plinius (dem Älteren). Dessen lateinische Bücher wurden im 16. Jahrhundert teils übersetzt, in Latein und Deutsch gedruckt und in Europa weit verbreitet. In diesen wurde von phantastischen Geschöpfen, Mischwesen und Lebewesen aus aller Welt berichtet. Die wertvolle Sgraffito-Fassade in der Neunkirchner Straße 19 wurde 1938 entdeckt und freigelegt. 1950 wurde sie vom akademischen Maler Fritz Weninger restauriert und ergänzt. 1980 erfolgte die letzte Restaurierung. Es handelt sich nicht um das einzige Haus in Wiener Neustadt mit einem Sgraffito, sondern auch am Hauptplatz 14 (ebenfalls als „Sgraffitohaus“ bezeichnet), in der Wiener Straße 15/Domgasse 1 und am Domplatz 20 finden sich Anwendungsbeispiele dieser Technik aus den vergangenen Jahrhunderten, die freigelegt worden sind. Das Sgraffito am Hauptplatz 14 ist unter den genannten, wegen der detaillierten Abbildungen und filigranen Machart, wohl das kunstvollste. (Zusätzlich sind dreidimensionale „Fabelwesen“ am Hauptplatz 14 angebracht worden, wo heute noch zwei mit einander verschlungene Drachen sichtbar sind.) Wir wissen nicht, ob beide Sgraffiti (am Hauptplatz 14 und in der Neunkirchner Straße 19) vom selben Handwerker, Maurermeister, Baumeister bzw. Künstler ausgeführt wurden, dennoch tragen beide Gebäude dieselbe Jahreszahl (1584). Fakt ist, dass es im 16. Jahrhundert eine ausgesprochen rege Bautätigkeit in der Neustadt gab und viele öffentliche Bauten, Bürgerhäuser und die Verteidigungsanlage ausgestaltet und umgebaut wurden. Es waren Fachleute aus dem italienischen Raum (wie die Maurermeister Antonio Woller und Stephan Corazin oder die Steinmetze Stephan de Luca, Peter Solari, Rochus Pollaci und Markus Pagamin – die uns namentlich überliefert sind) am Werk. Mit ihnen kamen wohl auch die Geschichten über Meerjungfrauen, Lebewesen aus fernen Ländern und über Tiere des Meeres aus dem Mittelmeerraum in unsere Steinfeldstadt. Einzelne Darstellungen an der Fassade in der Neunkirchner Straße 19 könnten zum Beispiel exotische Delphine abbilden. Jüngste Forschungen weisen darauf hin, dass sich an der Adresse Neunkirchner Straße 19 das Jesuitengymnasium des 1666 gegründeten Jesuitenkollegs befand. Der Orden hatte das Gebäude aus dem Besitz der Adelsfamilie Windisch-Grätz (südlich) neben der Ordenskirche (heute als „Sparkassensaal“ bekannt) erworben. Häufig waren den Jesuitenschulen Bühnen angeschlossen, wo die (dem „Jesuitentheater“ entsprechenden) Theaterstücke mit biblisch-religiösen Inhalten und belehrendem Charakter aufgeführt wurden. Wo der Standort einer solchen Bühne hierorts war, ist unklar, er wird allerdings östlich des Schulgebäudes (auf einer im Besitz des Ordens befindlichen Liegenschaft) vermutet. Sgraffito Sgraffito leitet sich vom griechischen Wort „graphein“ bzw. italienischen Wort „sgraffiare“ oder „graffiare“ (kratzen) ab und bezeichnet eine Technik (Stuck-Technik, Nass-in-Nass-Technik) zur Bearbeitung von Oberflächen, wie Fassaden und Außenwänden von Gebäuden. Dabei werden mehrere Putzschichten aufgetragen, wobei die erste Schicht ein eingefärbter Kalkputzgrund ist. Darauf werden drei oder vier Kalkanstriche aufgetragen oder ein hellerer Oberputz, auf dem die Motive (mit dem Verfahren des Pausens von Schablonen oder Durchdrückens) „gezeichnet“ werden. Im Anschluss daran muss die oberste, noch weiche Schicht zügig so abgetragen werden, dass die darunterliegende eingefärbte feste Putzschicht sichtbar wird und dekorative Flächen und Muster entstehen. Hier kommen als Werkzeuge Kratzeisen, Messer, Nägel und Metall-Schlingen zum Einsatz, mithilfe derer gekratzt, geschnitten und geritzt werden kann. Die Flächen, die dunkel bleiben sollen, werden ausgekratzt (also von der helleren Oberputz-Schichte befreit). Das Ergebnis ist deutlich haltbarer und wasserbeständiger als eine Wandmalerei. Die Wirkung des Sgraffito wird durch den Kontrast von Hell und Dunkel erzielt. Typisch ist ein mit Kohlenstaub gerührter Putz in unterschiedlichen Farbtönen von Hell- bis Dunkel-Grau bzw. Schwarz. Werden Sgraffiti nicht im Zwei-Farben-System, sondern in mehreren Farben realisiert, dann ist das Vorgehen aufwendiger, indem zum Beispiel zuerst die Detailarbeit an der jeweiligen Oberfläche durchgeführt werden muss. Infolge des unterschiedlich tiefen Abkratzens entstehen mehrfarbige und reliefartig wirkende Ansichten. Die Kratztechnik fand zur Zeit der Renaissance in Italien Anwendung und wurde von dort im 16. Jahrhundert in den mitteleuropäischen Raum gebracht. Die Sgraffito-Technik kam in Niederösterreich in vielen Städten zur Anwendung, weshalb man heute zahlreiche Gebäude mit der Bezeichnung „Sgraffitohaus“ findet, zum Beispiel in Krems, Langenlois, Retz u.v.a.
Bäckerei Kustor – Alte Tradition verknüpft mit moderner Backkultur
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Neunkirchner Straße 19
Das „Sgraffitohaus“ – Herausgeputztes
Die Geschichte des Gebäudes
Das Gebäude Neunkirchner Straße 19 ist ein zweigeschoßiges Bauwerk aus dem Mittelalter und stammt im Kern aus dem 14. Jahrhundert. Dieser historischen Zeitphase sind das kreuzrippengewölbte Erdgeschoß und ein gotisches Maßwerkfenster im ersten Obergeschoß zuzurechnen. 1584 wurde das Haus renoviert. Die Sgraffito-Fassade entstand in der Renaissance, worauf die Jahreszahl 1584 in den Fensterzwickeln hinweist, und beeindruckt mit den ornamentalen Fensterrahmungen und der Portalrahmung. Bei einem genaueren Blick auf die Details stößt man beispielsweise auf Natur- und Blumen-Formen, Bewaffnete, Fabelwesen und -tiere, vielleicht auch auf Narren-Gestalten, jedenfalls mehrfach auf Meerjungfrauen.
Letzteres ist bemerkenswert, weil wir es angesichts der Entstehungszeit des Sgraffito mit einer Epoche der Schifffahrt und der Zeit der Entdeckungen zu tun haben. In dieser Zeit gelangten auch viele Legenden auf den alten Kontinent Europa und in das Habsburgerreich – beeinflusst von seit dem Mittelalter rezipierten und zitierten Schriften, wie der „Naturgeschichte“ („naturalis historia“) von Plinius (dem Älteren). Dessen lateinische Bücher wurden im 16. Jahrhundert teils übersetzt, in Latein und Deutsch gedruckt und in Europa weit verbreitet. In diesen wurde von phantastischen Geschöpfen, Mischwesen und Lebewesen aus aller Welt berichtet.
Die wertvolle Sgraffito-Fassade in der Neunkirchner Straße 19 wurde 1938 entdeckt und freigelegt. 1950 wurde sie vom akademischen Maler Fritz Weninger restauriert und ergänzt. 1980 erfolgte die letzte Restaurierung. Es handelt sich nicht um das einzige Haus in Wiener Neustadt mit einem Sgraffito, sondern auch am Hauptplatz 14 (ebenfalls als „Sgraffitohaus“ bezeichnet), in der Wiener Straße 15/Domgasse 1 und am Domplatz 20 finden sich Anwendungsbeispiele dieser Technik aus den vergangenen Jahrhunderten, die freigelegt worden sind.
Das Sgraffito am Hauptplatz 14 ist unter den genannten, wegen der detaillierten Abbildungen und filigranen Machart, wohl das kunstvollste. (Zusätzlich sind dreidimensionale „Fabelwesen“ am Hauptplatz 14 angebracht worden, wo heute noch zwei mit einander verschlungene Drachen sichtbar sind.) Wir wissen nicht, ob beide Sgraffiti (am Hauptplatz 14 und in der Neunkirchner Straße 19) vom selben Handwerker, Maurermeister, Baumeister bzw. Künstler ausgeführt wurden, dennoch tragen beide Gebäude dieselbe Jahreszahl (1584). Fakt ist, dass es im 16. Jahrhundert eine ausgesprochen rege Bautätigkeit in der Neustadt gab und viele öffentliche Bauten, Bürgerhäuser und die Verteidigungsanlage ausgestaltet und umgebaut wurden. Es waren Fachleute aus dem italienischen Raum (wie die Maurermeister Antonio Woller und Stephan Corazin oder die Steinmetze Stephan de Luca, Peter Solari, Rochus Pollaci und Markus Pagamin – die uns namentlich überliefert sind) am Werk. Mit ihnen kamen wohl auch die Geschichten über Meerjungfrauen, Lebewesen aus fernen Ländern und über Tiere des Meeres aus dem Mittelmeerraum in unsere Steinfeldstadt. Einzelne Darstellungen an der Fassade in der Neunkirchner Straße 19 könnten zum Beispiel exotische Delphine abbilden.
Jüngste Forschungen weisen darauf hin, dass sich an der Adresse Neunkirchner Straße 19 das Jesuitengymnasium des 1666 gegründeten Jesuitenkollegs befand. Der Orden hatte das Gebäude aus dem Besitz der Adelsfamilie Windisch-Grätz (südlich) neben der Ordenskirche (heute als „Sparkassensaal“ bekannt) erworben. Häufig waren den Jesuitenschulen Bühnen angeschlossen, wo die (dem „Jesuitentheater“ entsprechenden) Theaterstücke mit biblisch-religiösen Inhalten und belehrendem Charakter aufgeführt wurden. Wo der Standort einer solchen Bühne hierorts war, ist unklar, er wird allerdings östlich des Schulgebäudes (auf einer im Besitz des Ordens befindlichen Liegenschaft) vermutet.
Sgraffito
Sgraffito leitet sich vom griechischen Wort „graphein“ bzw. italienischen Wort „sgraffiare“ oder „graffiare“ (kratzen) ab und bezeichnet eine Technik (Stuck-Technik, Nass-in-Nass-Technik) zur Bearbeitung von Oberflächen, wie Fassaden und Außenwänden von Gebäuden. Dabei werden mehrere Putzschichten aufgetragen, wobei die erste Schicht ein eingefärbter Kalkputzgrund ist. Darauf werden drei oder vier Kalkanstriche aufgetragen oder ein hellerer Oberputz, auf dem die Motive (mit dem Verfahren des Pausens von Schablonen oder Durchdrückens) „gezeichnet“ werden. Im Anschluss daran muss die oberste, noch weiche Schicht zügig so abgetragen werden, dass die darunterliegende eingefärbte feste Putzschicht sichtbar wird und dekorative Flächen und Muster entstehen. Hier kommen als Werkzeuge Kratzeisen, Messer, Nägel und Metall-Schlingen zum Einsatz, mithilfe derer gekratzt, geschnitten und geritzt werden kann. Die Flächen, die dunkel bleiben sollen, werden ausgekratzt (also von der helleren Oberputz-Schichte befreit). Das Ergebnis ist deutlich haltbarer und wasserbeständiger als eine Wandmalerei.
Die Wirkung des Sgraffito wird durch den Kontrast von Hell und Dunkel erzielt. Typisch ist ein mit Kohlenstaub gerührter Putz in unterschiedlichen Farbtönen von Hell- bis Dunkel-Grau bzw. Schwarz. Werden Sgraffiti nicht im Zwei-Farben-System, sondern in mehreren Farben realisiert, dann ist das Vorgehen aufwendiger, indem zum Beispiel zuerst die Detailarbeit an der jeweiligen Oberfläche durchgeführt werden muss. Infolge des unterschiedlich tiefen Abkratzens entstehen mehrfarbige und reliefartig wirkende Ansichten.
Die Kratztechnik fand zur Zeit der Renaissance in Italien Anwendung und wurde von dort im 16. Jahrhundert in den mitteleuropäischen Raum gebracht. Die Sgraffito-Technik kam in Niederösterreich in vielen Städten zur Anwendung, weshalb man heute zahlreiche Gebäude mit der Bezeichnung „Sgraffitohaus“ findet, zum Beispiel in Krems, Langenlois, Retz u.v.a.