Follow the Codes - Bilder von Juden
ErinnerungsortFollow the Codes - Bilder von Juden
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Neunkirchner Straße 38 / Fußweg zur MilAk Wiener Neustadt ‒ Gurk: „Bilder von Juden“ In der Militärakademie sind vier kleine Glasfenster aufbewahrt (zurzeit im Traditionsraum 1 des Alten Museums – hinter den Präsentationswänden anlässlich der Landesausstellung versteckt). Sie weisen eine ungewöhnliche fast quadratische Form auf und stellen den erhaltenen Rest eines wohl größeren Bilderzyklus' dar. Wahrscheinlich wurden diese Glasfenster Ende des 14. Jahrhunderts (um 1390) in der als „Herzogswerkstatt“ bezeichneten Handwerksstätte in Wien hergestellt und wurden entweder in der Marienkapelle der Burg zu Neustadt (St.-Georgs-Kathedrale) oder in der 1379 fertig gestellten, allerdings heute nicht mehr existenten Burgkapelle Leopolds III. in der Burg eingebaut. Im Zweiten Weltkrieg wurden diese Glasfenster in das Neukloster verbracht, wohin auch der Sarg Kaiser Maximilians 1946 nach seiner Bergung aus der zerstörten Kirche kam. Während der Sarg nach der Renovierung der Akademie wieder an seinen historischen Platz – „zwischen Himmel und Erde“ – zurückkehrte, geschah dies mit den Glasfenstern nicht mehr. Sie sind heute eine Leihgabe des Stiftes Heiligenkreuz an das Museum der MilAk. Bei der Darstellung handelt es sich um das Motiv der „Tempelreinigung“ bzw. „Tempelaustreibung“, mit der die biblische Überlieferung bezeichnet ist, nach der Jesus die Geldwechsler und Handeltreibenden aus dem Tempel zu Jerusalem vertrieb. In der Überlieferung nach dem Johannesevangelium trieb Jesus die Händler und Geldwechsler mit einer Geißel aus dem Jerusalemer Tempel. Dabei stieß er nicht nur die Tische um und verschüttete das Geld der Wechsler, sondern rief: „Macht meines Vaters Haus nicht zum Kaufhaus!“ (Joh. 2,16). Nach dem Markusevangelium meinte Jesus: „Steht nicht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.“ (Mk. 11,17) Der Jude, der violett gewandet ist und mit langem Haar und Bart dargestellt ist, trägt den in der Bildsprache des Mittelalters typischen Judenhut. Mit beiden Händen presst er einen Sack, vermutlich einen Geldsack, an seine Brust, wendet sich zur Flucht ab und blickt dennoch auf Jesus Christus zurück. Jesus, der den Juden mit seiner linken Hand anstößt bzw. wegdrückt, erhebt in seiner rechten Hand drohend eine Geißel zum Schlag. Mit dem rechten Fuß tritt er einen Tisch, auf dem Geld sowohl ausgebreitet als auch in einer Schale liegt, weg. Die Botschaft ist eindeutig: Nur ein Jude ist dargestellt, der hinausgetrieben wird. Nur dieser hält den Sack und wird zum Sinnbild des Sünders. In mittelalterlichen Darstellungen – sei es in Fresken, Reliefs oder Druckwerken – findet sich mitunter in ähnlicher Art und Weise die Realisierung der jüdischen Wechsler (nämlich mit einem Geldsack, der von jenen zugebunden in Sicherheit gebracht wird). Die Kennzeichnung mit einem Judenhut ist allerdings etwas Auffälliges und keineswegs Übliches für die künstlerische Darstellung der „Tempelreinigung“. Das Glasfenster-Motiv in der Wiener Neustädter Burg ist hierin allerdings nicht einzigartig. So stößt man im Gurker Dom (nämlich an der Südseite der Vorhalle) auf ein Fresko (um 1340), in dem sich auch die Szene der „Tempelreinigung“ finden lässt; darin sind ebenfalls Juden mit Spitzhüten dargestellt worden. Wenn Sie weitergehen, beachten Sie bitte das Haus zu Ihrer Linken, Neunkirchner Straße 34. Es wird bei der folgenden Station noch eine Rolle spielen! Exkurs I: Mittelalterliche Darstellungen von Juden mit einem Judenhut sind in Wiener Neustadt mehrfach existent, nämlich – und das ist bemerkenswert – gleich zweimal im Wiener Neustädter Dom (Liebfrauenkirche): sowohl am Triumphbogen des Langschiffes (in der Gruppe der am Jüngsten Tag in die Hölle Getriebenen) als auch an der Nordwand über dem Chorgestühl nächst dem Seiteneingang (ebenfalls am Beginn der Personengruppe der Verdammten). Exkurs II: Selbstverständlich erhielten auch Juden an der Theresianischen Militärakademie ihre Ausbildung. Ein Beispiel ist Freiherr von Brunicki: Beim Adelsgeschlecht Brunstein, später Brunicki, handelt es sich um ein Geschlecht jüdischen Ursprungs, dessen Mitglieder das katholische und evangelische Glaubensbekenntnis annahmen. Ladislaus Brunicki (*17.02.1843, Gorojec) besuchte die Wiener Neustädter Militärakademie und wurde 1862 als Leutnant ausgemustert. Er avancierte 1874 zum Rittmeister in der k. u. k. galizischen Landwehr-Ulanen-Eskadron. 1881 trat er aus der Armee aus. Exkurs III: An der MilAk waren einige Juden als Lehrer aktiv. Unter ihnen finden sich renommierte Wissenschafter und Kunstschaffende, wie zum Beispiel der Schriftsteller Eduard Breier (*03.11.1811), der in der k. u. k. Armee als Artillerist gedient hatte, 1833 die Offiziersschule in Verona absolvierte und als vortragender Lehroffizier an der MilAk tätig war. Breier fasziniert wegen seiner extremen Produktivität, sei es als Zeitungsredakteur bzw. Herausgeber von Zeitschriften, als Schriftsteller von zirka 70 Romanen oder als Autor (natur-)wissenschaftlicher Werke. Exkurs IV: Die Übernahme der Militärakademie („Kriegsschule“) durch Erwin Rommel fiel mit dem Novemberpogrom 1938 („Reichskristallnacht“) zusammen. Wenngleich das Militär in der Beraubung und Vertreibung von Juden in Wiener Neustadt keine Rolle spielte, so kam es dennoch zu „Säuberungen“ in den Reihen der Soldaten, indem Juden und sogenannte „Mischlinge“ (nach den Nürnberger Rassengesetzen) entlassen wurden.
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Neunkirchner Straße 38 / Fußweg zur MilAk
Wiener Neustadt ‒ Gurk: „Bilder von Juden“
In der Militärakademie sind vier kleine Glasfenster aufbewahrt (zurzeit im Traditionsraum 1 des Alten Museums – hinter den Präsentationswänden anlässlich der Landesausstellung versteckt). Sie weisen eine ungewöhnliche fast quadratische Form auf und stellen den erhaltenen Rest eines wohl größeren Bilderzyklus' dar. Wahrscheinlich wurden diese Glasfenster Ende des 14. Jahrhunderts (um 1390) in der als „Herzogswerkstatt“ bezeichneten Handwerksstätte in Wien hergestellt und wurden entweder in der Marienkapelle der Burg zu Neustadt (St.-Georgs-Kathedrale) oder in der 1379 fertig gestellten, allerdings heute nicht mehr existenten Burgkapelle Leopolds III. in der Burg eingebaut.
Im Zweiten Weltkrieg wurden diese Glasfenster in das Neukloster verbracht, wohin auch der Sarg Kaiser Maximilians 1946 nach seiner Bergung aus der zerstörten Kirche kam. Während der Sarg nach der Renovierung der Akademie wieder an seinen historischen Platz – „zwischen Himmel und Erde“ – zurückkehrte, geschah dies mit den Glasfenstern nicht mehr. Sie sind heute eine Leihgabe des Stiftes Heiligenkreuz an das Museum der MilAk.
Bei der Darstellung handelt es sich um das Motiv der „Tempelreinigung“ bzw. „Tempelaustreibung“, mit der die biblische Überlieferung bezeichnet ist, nach der Jesus die Geldwechsler und Handeltreibenden aus dem Tempel zu Jerusalem vertrieb. In der Überlieferung nach dem Johannesevangelium trieb Jesus die Händler und Geldwechsler mit einer Geißel aus dem Jerusalemer Tempel. Dabei stieß er nicht nur die Tische um und verschüttete das Geld der Wechsler, sondern rief: „Macht meines Vaters Haus nicht zum Kaufhaus!“ (Joh. 2,16). Nach dem Markusevangelium meinte Jesus: „Steht nicht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen für alle Völker? Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht.“ (Mk. 11,17)
Der Jude, der violett gewandet ist und mit langem Haar und Bart dargestellt ist, trägt den in der Bildsprache des Mittelalters typischen Judenhut. Mit beiden Händen presst er einen Sack, vermutlich einen Geldsack, an seine Brust, wendet sich zur Flucht ab und blickt dennoch auf Jesus Christus zurück. Jesus, der den Juden mit seiner linken Hand anstößt bzw. wegdrückt, erhebt in seiner rechten Hand drohend eine Geißel zum Schlag. Mit dem rechten Fuß tritt er einen Tisch, auf dem Geld sowohl ausgebreitet als auch in einer Schale liegt, weg.
Die Botschaft ist eindeutig: Nur ein Jude ist dargestellt, der hinausgetrieben wird. Nur dieser hält den Sack und wird zum Sinnbild des Sünders.
In mittelalterlichen Darstellungen – sei es in Fresken, Reliefs oder Druckwerken – findet sich mitunter in ähnlicher Art und Weise die Realisierung der jüdischen Wechsler (nämlich mit einem Geldsack, der von jenen zugebunden in Sicherheit gebracht wird). Die Kennzeichnung mit einem Judenhut ist allerdings etwas Auffälliges und keineswegs Übliches für die künstlerische Darstellung der „Tempelreinigung“. Das Glasfenster-Motiv in der Wiener Neustädter Burg ist hierin allerdings nicht einzigartig. So stößt man im Gurker Dom (nämlich an der Südseite der Vorhalle) auf ein Fresko (um 1340), in dem sich auch die Szene der „Tempelreinigung“ finden lässt; darin sind ebenfalls Juden mit Spitzhüten dargestellt worden.
Wenn Sie weitergehen, beachten Sie bitte das Haus zu Ihrer Linken, Neunkirchner Straße 34. Es wird bei der folgenden Station noch eine Rolle spielen!
Exkurs I:
Mittelalterliche Darstellungen von Juden mit einem Judenhut sind in Wiener Neustadt mehrfach existent, nämlich – und das ist bemerkenswert – gleich zweimal im Wiener Neustädter Dom (Liebfrauenkirche): sowohl am Triumphbogen des Langschiffes (in der Gruppe der am Jüngsten Tag in die Hölle Getriebenen) als auch an der Nordwand über dem Chorgestühl nächst dem Seiteneingang (ebenfalls am Beginn der Personengruppe der Verdammten).
Exkurs II:
Selbstverständlich erhielten auch Juden an der Theresianischen Militärakademie ihre Ausbildung. Ein Beispiel ist Freiherr von Brunicki: Beim Adelsgeschlecht Brunstein, später Brunicki, handelt es sich um ein Geschlecht jüdischen Ursprungs, dessen Mitglieder das katholische und evangelische Glaubensbekenntnis annahmen. Ladislaus Brunicki (*17.02.1843, Gorojec) besuchte die Wiener Neustädter Militärakademie und wurde 1862 als Leutnant ausgemustert. Er avancierte 1874 zum Rittmeister in der k. u. k. galizischen Landwehr-Ulanen-Eskadron. 1881 trat er aus der Armee aus.
Exkurs III:
An der MilAk waren einige Juden als Lehrer aktiv. Unter ihnen finden sich renommierte Wissenschafter und Kunstschaffende, wie zum Beispiel der Schriftsteller Eduard Breier (*03.11.1811), der in der k. u. k. Armee als Artillerist gedient hatte, 1833 die Offiziersschule in Verona absolvierte und als vortragender Lehroffizier an der MilAk tätig war. Breier fasziniert wegen seiner extremen Produktivität, sei es als Zeitungsredakteur bzw. Herausgeber von Zeitschriften, als Schriftsteller von zirka 70 Romanen oder als Autor (natur-)wissenschaftlicher Werke.
Exkurs IV:
Die Übernahme der Militärakademie („Kriegsschule“) durch Erwin Rommel fiel mit dem Novemberpogrom 1938 („Reichskristallnacht“) zusammen. Wenngleich das Militär in der Beraubung und Vertreibung von Juden in Wiener Neustadt keine Rolle spielte, so kam es dennoch zu „Säuberungen“ in den Reihen der Soldaten, indem Juden und sogenannte „Mischlinge“ (nach den Nürnberger Rassengesetzen) entlassen wurden.