Der Reckturm
ErinnerungsortDer Reckturm
47.816510
16.240953
Reyergasse/Petersgasse Der Reckturm Der „Reckturm“ ist der nordwestliche Eckturm der mittelalterlichen Neustadt. Er wurde nicht in den Verlauf der Stadtbefestigung eingepasst, sondern in einem 45-Grad-Winkel gesetzt – nicht ohne Grund. Denn damit war es den Verteidigern der Stadt besser möglich, das Vorgelände, also den Zwinger, den Stadtgraben und die freien Flächen nach Nordwesten einzusehen und zu beobachten. Obgleich man heute nahe dem Turm eine Durchfahrt sieht, so war hier in mittelalterlicher Zeit kein Stadttor. Der Turm misst 8,56 x 8,48 Meter und hat eine Außenmauer-Dicke von beachtlichen 2,43 Metern. Er war nach dem SW-Eckturm (mit 2,51 Metern Mauerstärke) der Eckturm mit der zweitstärksten Außenmauer. Die nördliche Stadtmauer war im Vergleich zu jener an der Süd-, Ost- und Westseite durchgehend etwas dünner, nämlich nicht rund 1,6 Meter, sondern 1,4 Meter. Die nördliche Stadtmauer wurde wegen des sumpfigen Vorfeldes ein bisschen „dünner“ angelegt, da hier Angriffe eher unwahrscheinlich waren. Denn Feinde konnten hier schweres Gerät bzw. ihre Belagerungs- und Wurf-Maschinen nicht nahe an die Stadtmauer heranbringen. Der „Reckturm“ hieß ursprünglich „Stuckturm“, weil er zur Aufbewahrung von „Stuck“, also Waffen diente. Die Bezeichnung „Reckturm“ leitet sich von der Foltermethode des Reckens (zum Beispiel durch das Strecken auf einer Streckbank, dem „Reckbankl“) ab. Bis ins 19. Jahrhundert hatte sich hier das städtische Gefängnis – das Zivilgefangenenhaus und Amtshaus – befunden. Daher wurde hier bis ins 18. Jahrhundert auch die peinliche Befragung vorgenommen und gefoltert. In der bekannten Böheim-Chronik von Wiener Neustadt hieß es 1830: „Man sieht noch heutiges Tags Ueberbleibsel jener schrecklichen Werkzeuge, nämlich das Rad und die Welle der furchtbaren Folter, auf der man die Glieder jener Unglücklichen so lange zerrte, bis das Uebermaß des Schmerzes sie zwang, das Geständnis der wahren oder fälschlichen Anschuldigung abzulegen.“ 1671 beschuldigte man eine über 60-jährige Witwe namens Afra Schick aus dem nahe gelegenen Bromberg–Schlatten der Hexerei. Ihr wurde nicht nur der Bund mit dem Teufel, sondern auch Kurpfuscherei vorgeworfen. Gefoltert gestand sie schließlich und wurde als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. (Dieser war weit außerhalb der Stadtmauern im Norden errichtet worden, wo sich heute die Säule „Spinnerin am Kreuz“ an der Wiener Straße befindet.) Der Turm sollte zur Jahrhundertwende (1900) abgerissen werden. Damals erkannte man den Wert dieses Eckturmes zweifellos nicht und begann damit, das Dach, den obersten Teil des Turms und die angrenzende Westmauer abzureißen. Der Kunsthistoriker Dr. Franz Staub erreichte es, dass die Demolierungsarbeiten 1901 eingestellt wurden, und darüber hinaus, dass eine Wiederherstellung erfolgte. Man nahm sich dafür alte Ansichten zum Vorbild. Staubs Einsatz wird durch eine Gedenktafel über der Eingangstüre in den Turm gewürdigt. Es war also eine Privatinitiative, die den Erhalt des Reckturms sicherstellte. Auch heute ist es dem privaten Engagement der Familie Karlik zu verdanken, dass wir den Turm besuchen können. Im Reckturm ist ein kleines Privatmuseum eingerichtet, das vor allem Waffen präsentiert. Vor einigen Jahren wurde ein Kerker unter dem Fußboden des Erdgeschoßes entdeckt und freigelegt. Das Areal des Reckturms ist in Wiener Neustadt der einzige Ort, wo man auf einem hölzernen Wehrgang über die Stadtmauer blicken kann. Dort und beim SW-Eckturm sieht man Reste des vor der Stadtmauer gelegenen (teils rekonstruierten) Zwingers bzw. der Zwingermauer. Öffnungszeiten: 1. Mai bis 31. Oktober, Di, Mi und Do jeweils 10-12 Uhr, 14-16 Uhr, jeden ersten Samstag und Sonntag im Monat jeweils 10-12 Uhr Gegen Voranmeldung unter Tel: 02622/27924 bzw. 0676/5829168 (Herr Josef Karlik) Quellen/Literatur: Ferdinand Carl Böheim, Chronik von Wiener-Neustadt. Wien 1830. Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Topographisches Denkmälerinventar. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2, Horn/Wien 2003. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993. Adolf Höggerl, Alt-Neustadt. Kunstdenkmäler und historische Gedenkstätten der autonomen Stadt Wiener Neustadt. Wiener Neustadt 1954. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995.
Reyergasse/Petersgasse
Der Reckturm
Der „Reckturm“ ist der nordwestliche Eckturm der mittelalterlichen Neustadt. Er wurde nicht in den Verlauf der Stadtbefestigung eingepasst, sondern in einem 45-Grad-Winkel gesetzt – nicht ohne Grund. Denn damit war es den Verteidigern der Stadt besser möglich, das Vorgelände, also den Zwinger, den Stadtgraben und die freien Flächen nach Nordwesten einzusehen und zu beobachten. Obgleich man heute nahe dem Turm eine Durchfahrt sieht, so war hier in mittelalterlicher Zeit kein Stadttor.
Der Turm misst 8,56 x 8,48 Meter und hat eine Außenmauer-Dicke von beachtlichen 2,43 Metern. Er war nach dem SW-Eckturm (mit 2,51 Metern Mauerstärke) der Eckturm mit der zweitstärksten Außenmauer. Die nördliche Stadtmauer war im Vergleich zu jener an der Süd-, Ost- und Westseite durchgehend etwas dünner, nämlich nicht rund 1,6 Meter, sondern 1,4 Meter. Die nördliche Stadtmauer wurde wegen des sumpfigen Vorfeldes ein bisschen „dünner“ angelegt, da hier Angriffe eher unwahrscheinlich waren. Denn Feinde konnten hier schweres Gerät bzw. ihre Belagerungs- und Wurf-Maschinen nicht nahe an die Stadtmauer heranbringen.
Der „Reckturm“ hieß ursprünglich „Stuckturm“, weil er zur Aufbewahrung von „Stuck“, also Waffen diente. Die Bezeichnung „Reckturm“ leitet sich von der Foltermethode des Reckens (zum Beispiel durch das Strecken auf einer Streckbank, dem „Reckbankl“) ab. Bis ins 19. Jahrhundert hatte sich hier das städtische Gefängnis – das Zivilgefangenenhaus und Amtshaus – befunden. Daher wurde hier bis ins 18. Jahrhundert auch die peinliche Befragung vorgenommen und gefoltert. In der bekannten Böheim-Chronik von Wiener Neustadt hieß es 1830: „Man sieht noch heutiges Tags Ueberbleibsel jener schrecklichen Werkzeuge, nämlich das Rad und die Welle der furchtbaren Folter, auf der man die Glieder jener Unglücklichen so lange zerrte, bis das Uebermaß des Schmerzes sie zwang, das Geständnis der wahren oder fälschlichen Anschuldigung abzulegen.“
1671 beschuldigte man eine über 60-jährige Witwe namens Afra Schick aus dem nahe gelegenen Bromberg–Schlatten der Hexerei. Ihr wurde nicht nur der Bund mit dem Teufel, sondern auch Kurpfuscherei vorgeworfen. Gefoltert gestand sie schließlich und wurde als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. (Dieser war weit außerhalb der Stadtmauern im Norden errichtet worden, wo sich heute die Säule „Spinnerin am Kreuz“ an der Wiener Straße befindet.)
Der Turm sollte zur Jahrhundertwende (1900) abgerissen werden. Damals erkannte man den Wert dieses Eckturmes zweifellos nicht und begann damit, das Dach, den obersten Teil des Turms und die angrenzende Westmauer abzureißen. Der Kunsthistoriker Dr. Franz Staub erreichte es, dass die Demolierungsarbeiten 1901 eingestellt wurden, und darüber hinaus, dass eine Wiederherstellung erfolgte. Man nahm sich dafür alte Ansichten zum Vorbild. Staubs Einsatz wird durch eine Gedenktafel über der Eingangstüre in den Turm gewürdigt.
Es war also eine Privatinitiative, die den Erhalt des Reckturms sicherstellte. Auch heute ist es dem privaten Engagement der Familie Karlik zu verdanken, dass wir den Turm besuchen können. Im Reckturm ist ein kleines Privatmuseum eingerichtet, das vor allem Waffen präsentiert. Vor einigen Jahren wurde ein Kerker unter dem Fußboden des Erdgeschoßes entdeckt und freigelegt. Das Areal des Reckturms ist in Wiener Neustadt der einzige Ort, wo man auf einem hölzernen Wehrgang über die Stadtmauer blicken kann. Dort und beim SW-Eckturm sieht man Reste des vor der Stadtmauer gelegenen (teils rekonstruierten) Zwingers bzw. der Zwingermauer.
Öffnungszeiten:
1. Mai bis 31. Oktober, Di, Mi und Do jeweils 10-12 Uhr, 14-16 Uhr, jeden ersten Samstag und Sonntag im Monat jeweils 10-12 Uhr
Gegen Voranmeldung unter Tel: 02622/27924 bzw. 0676/5829168 (Herr Josef Karlik)
Quellen/Literatur:
Ferdinand Carl Böheim, Chronik von Wiener-Neustadt. Wien 1830.
Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Topographisches Denkmälerinventar. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2, Horn/Wien 2003.
Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993.
Adolf Höggerl, Alt-Neustadt. Kunstdenkmäler und historische Gedenkstätten der autonomen Stadt Wiener Neustadt. Wiener Neustadt 1954.
Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995.