Thema: Die TOWN-Tower-Tour
Ein Abenteuer-Spaziergang durch die Stadtgeschichte von Turm zu Turm
Auf unserer Tower-Tour stehen die Türme in Wiener Neustadt im Zentrum: beispielsweise der Reckturm, die Domtürme, der Ruthner-Turm, der Biedermeier-Turm, der Wasserturm und der Rákóczi-Turm der Militärakademie. Sie spazieren gemütlich von Turm zu Turm, erfahren am jeweiligen Standort vieles zur Vergangenheit und erleben bei zwei Türmen (nämlich beim südlichen Domturm und beim Reckturm) Ausblicke über die Stadt, wie sie nur von diesen Turm-Plattformen möglich sind. Insgesamt drei kleine Museen können Sie dabei besuchen: den Domturm mit seiner Türmerstube, das Museum im Reckturm und das Krankenhaus-Museum – wenn Sie nicht noch das Stadtmuseum und das Museum der Militärakademie in Augenschein nehmen möchten.
Auf Ihrem Weg von Turm zu Turm gibt es dazwischen natürlich auch anderes zu entdecken. Sie werden hier auf ein paar Örtlichkeiten hingewiesen, die an Ihrer Wegstrecke liegen.
Vielleicht gelingt es, dass – im Zusammenhang mit der Landesausstellung 2019 – auf der Strecke der TOWN-Tower-Tour Anschauungsobjekte aufgestellt werden, die uns einen Eindruck von historischen Objekten geben.
Unsere TOWN-Tower-Tour bietet Ihnen viel Anschauungsmaterial: historische Fotografien, alte Karten und wertvolle Abbildungen. So wird Ihre Tour in die Geschichte mit rund 180 Abbildungen bereichert. Neugierig geworden? – Na dann los!
Der südwestliche Eckturm der mittelalterlichen Neustadt
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Schubertweg Der südwestliche Eckturm der mittelalterlichen Neustadt Wiener Neustadt war 1192 gegründet worden und ist eine genau geplante Stadt. An jeder Spitze der als Viereck angelegten Stadtmauer wurde ein Eckturm errichtet. In einer Beschreibung der Neustadt aus dem Jahre 1487 heißt es zu den Befestigungen beispielsweise: „Die Gräben der Stadt sind weit und tief, und zu beiden Seiten mit Quadersteinen eingefaßt, in solcher Ordnung, daß sie einem Meer gleich sehen, und eine große Menge von Fischen ziehen, die Stadt ist viereckig, wie auch die Stadtthöre. Wenn du mitten auf dem Markt stehest, kannst du alle Thöre sehen, und hat ein jedes Thor seine eigene Vorstadt mit schönen Gebäuden, welche gleichfalls mit einem Bollwerk und mit Gräben versehen sind. Um die Mauern hat es drei Gräben, und ringsum viele Thürme; bei einem jeden Eck der Mauern hat es feste Basteien außerhalb des Wassergrabens.“ Tatsächlich war die Stadt nicht nur mit zahlreichen Wehrtürmen und einer hohen Umfassungsmauer stark befestigt, sondern auch jedes der vier Tore hatte einen Turm. Nach wenigen Metern auf dem Schubertweg in den Stadtpark erblickt man auf der linken Seite den südwestlichen Eckturm der mittelalterlichen Neustadt. Im Gegensatz zum „Reckturm“ (dem nordwestlichen Eckturm) fügt sich dieser Wehrturm fast genau in die Ausrichtung der West- und Süd-Stadtmauer ein. Die 2017 freigelegte vorgelagerte Zwingermauer folgt genau dem Verlauf der Stadtmauer. Im 15. Jahrhundert, als der ungarische König Matthias Corvinus die Neustadt belagerte und schließlich eroberte, wurde der Turm 1487 zerstört. Um 1500 kam es zum Wiederaufbau, allerdings nicht mehr mit den Buckelquader-Steinen (drei Scharen sind sichtbar), wie sie noch um 1200 Verwendung gefunden hatten. Vielen ist dieser Platz deshalb ein Begriff, weil sich zum einen seltene hebräische Grabsteine neben dem Turm befinden und weil hier über viele Jahre ein Gehege für Bären („Bärenzwinger“) war, das Schaulustige gerne besuchten und 2017 abgerissen wurde. Die hohe Schutzmauer begrenzt an dieser Stelle auch ein unterirdisches Bauwerk aus dem 16. Jahrhundert: nämlich die unterirdischen Geschützrampen der (Kapuziner-)Bastei sowie die östlich anschließenden eigentlichen Kasematten, einen großflächigen Gewölbebau mit vielen Verzweigungen und 37 Räumen, umhüllt von einer dicken Erdschichte. Diese für ihre Zeit moderne Verteidigungsanlage war vom Baumeister Johann Tscherte, seinerseits Zeitgenossen von Albrecht Dürer, geplant worden. Die Kasematten dienten sowohl zur Aufbewahrung von Waffen, Munition und Pulver als auch zum Schutz der Soldaten und Pferde. Der Bau hielt aufgrund seiner meterdicken Erdschichte der feindlichen Artillerie stand und man konnte sich in der Verteidigungsanlage – mit einer Fläche von rund 2.700 m2 – für Ausfälle vorbereiten. Die gesamte Anlage war durch Schächte belüftet worden. Über unterirdische Geschützrampen transportiert man die Kanonen auf die Geschützterrassen der Bastei. In den unterirdischen Bereich der Bastei bzw. die Kasematten gelangt man – über ein eindrucksvolles Renaissance-Portal – von der Bahngasse aus. Ein Wappenstein mit den Wappen des Herzogtums Österreich (rechts oben), Tirol (links oben) und Wiener Neustadt (mittig unten) sowie der Jahreszahl 1557 krönt den Portalbogen. In der Bastei führt ein Weg auch in die Basis des südwestlichen Eckturms, wo im untersten Innenraum alle Wände als „opus spicatum“ ausgeführt sind: schräg gesetzte Plattenreihen. Bei diesem im Ährenform gesetzten Mauersteinverband handelt es sich um eine klassische hochmittelalterliche Mauertechnik. Auf diese Weise konnten, trotz unterschiedlich großem Stein-Material, gleichmäßig hohe Mauerschichten gebaut werden. Die konsequente Ausführung des opus spicatum an der Stadtmauer von Wiener Neustadt ist sowohl in der Region als auch darüber hinaus einzigartig. Im 16. Jahrhundert kam es – zeitgleich mit Wien (wo übrigens Johann Tscherte ebenfalls wirkte) – zum Ausbau der gesamten Befestigungsanlage in der Neustadt. Man orientierte sich am damals zeitgemäßen Festungsbau mittels Basteien, also weit vorspringenden Verteidigungsbastionen, wie sie uns vor allem aus der späteren Zeit der Türkenkriege und der Zweiten Wiener Türkenbelagerung ein Begriff sind. Zu diesem Zweck mussten hohe Erdaufschüttungen gemacht und massive vorgelagerte Bollwerke erbaut werden, die über einen Wall mit der vorhandenen Stadtmauer verbunden waren. Auf diese Weise entstand beispielsweise beim SW-Eckturm eine dieser Basteien: die Kapuziner-Bastei (später auch Grübelschanze genannt). Als Baumaterial verwendete man für das dortige Vorwerk sogar Grabsteine des ehemaligen jüdischen Friedhofs (nachdem die jüdische Bevölkerung der Neustadt Ende des 15. Jahrhunderts vertrieben worden war und man den Friedhof zerstört hatte, um das Schussfeld nach Süden freizumachen). Bei Ausgrabungen im September 2017 wurden nicht nur Bestandteile des Vorwerkes entdeckt, sondern man stieß auch auf eine ganze Reihe von eingemauerten Grabstein-Bruchstücken mit hebräischen Schriftzeichen. Im 19. Jahrhundert wurde in den Kasematten Hopfen und Malz für die lokale Bierproduktion gelagert. Während des Zweiten Weltkriegs baute man die Anlage zu einem großen Luftschutzraum aus. Eine sogenannte „Gasschleuse“ befindet sich hinter der eisernen Türe (mit spätromanischem Bogen) nördlich bzw. links des südwestlichen Eckturms. Anmerkung: Der südwestliche Eckturm wird in der Literatur und in schriftlichen Quellen (wie der „Jakober-Turm“ bei der Kapuziner Kirche) als „Brüder-Turm“ bezeichnet, was zu Verwechslungen führt. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Kasematten - Jüdische Grabsteine an der westlichen Stadtmauer beim SW-Eckturm - Matthias-Corvinus-Denkmal am Schubertweg im Stadtpark - Musikpavillon im westlichen Stadtpark Weitere Informationen zum Luftschutzraum in den Kasematten: http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/kleiner-stadtspaziergang-1938-1945/pplace/229?pfadid=1 (Teil des Online-Stadtspaziergangs 1938-1945 auf TOWN) Video zu den Kasematten: http://www.wntv.at/page/video/MTU1Mjk4 (2016) Quellen/Literatur: Ferdinand Carl Böheim, Chronik von Wiener-Neustadt. Wien 1830. Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Gertrude Gerhartl, Wiener Neustadt. Wien/München 1983 [Niederösterreichischer Kulturführer]. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995. Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert. Wien 2010.
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Das Ruthner`sche Turmgewächshaus – Urbane Landwirtschaft in Wiener Neustadt
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Ehemalige städtische Gärtnerei im Stadtpark/Nachbargrundstück zum Hotel „Hilton Garden Inn“ Das Ruthner`sche Turmgewächshaus – Urbane Gartenbau- und Landwirtschaft in Wiener Neustadt Noch vor Kurzem stieß der kundige Spurensucher nahe den Kasematten, nämlich auf dem Gelände der ehemaligen städtischen Gärtnerei im Stadtpark, auf einen besonderen Turm: einen Glasturm, oder genauer gesagt, ein Turmgewächshaus. Dieses einzigartige Exemplar war vom Stadtpark aus am besten sichtbar, beispielsweise wenn man vom Areal der Tennisplätze in Richtung Nordosten oder Norden (abhängig vom eigenen genauen Standort) blickte. 2017 wurde der Turm allerdings zerlegt und abtransportiert, um irgendwann wieder originalgetreu – so hieß es zumindest – zusammengebaut zu werden und einen neuen Platz zu erhalten. Die obersten Stadtherren ließen den Glasturm entfernen, weil er neben dem neuen Hotel zukünftig unpassend erschien und die Fläche dann auch verbaut wurde. Beim Wiener Neustädter Turmgewächshaus handelt es sich um eine Erfindung des Wiener Maschinenbauingenieurs Othmar Ruthner, das in Wiener Neustadt als eines der ersten überhaupt schon 1964/65 errichtet worden war und bis zum Jahr 2006 in Betrieb gewesen ist. Bis 2017 war der Ruthner-Turm sogar noch funktionstüchtig und der letzte Turm seiner Art in Österreich, ja sogar der Welt. Das Ziel dieses Patents bestand darin, auf einer kleinen Grundfläche eine möglichst große Nutzfläche zu haben. Der gläserne Turm beherbergte deshalb eine Art von Aufzug, der mit einem Paternoster vergleichbar ist und Pflanzen permanent in einem Kreislauf von unten nach oben transportiert. In der Folge wurden jeder Pflanze die gleichen klimatischen Bedingungen geboten. Allerdings benötigte ein solches Turmgewächshaus relativ viel Energie, denn einerseits musste das Aufzugsystem ständig angetrieben werden und andererseits war ein Ventilator notwendig, um die warme Luft, die sich im oberen Teil des Turmes sammelte, nach unten zu befördern. In der Mitte der 1960er Jahre wurde ein 41 Meter hoher und rundum verglaster Ruthner-Turm auf der Wiener Internationalen Gartenschau (WIG 1964) noch als Innovation des Gartenbaus präsentiert. Das Kunstklima im Inneren des Glasturms brachte Rekordernten. Die mobilen Gemüse- oder Blumenbeete, die in schwindelnde Höhen transportiert wurden und für überdurchschnittlichen Ertrag sorgten, ließen vor einem halben Jahrhundert und vor den Energiekrisen (ab den 1970er Jahren) wohl keine andere Erwartung zu. Auftraggeber aus insgesamt 30 Staaten wollten Mitte der 1960er Jahre die bis zu rund 40 Meter hohen „Chlorophyll-Retorten aus Glas, Stahl und Kunststoff“ einsetzen. Turmgewächshäuser wurden als Chance auf eine „fabrikmäßige Herstellung“ von Lebensmitteln erachtet, indem fast 500 Plastikschalen oder 9.500 Blumentöpfe – mit Spezialerde befüllt und mit zugeführter Nährflüssigkeit – Blumen und Gemüse in einem wachstumsfördernden Klima deutlich rascher (nach dem Erfinder mindestens 50 Prozent schneller als herkömmlich) und in großem Umfang gedeihen ließen. Es war nur eine Arbeitskraft für die technische Bedienung und erforderliche Arbeiten vonnöten. Bei wenig horizontaler Fläche wuchsen die „Turmpflanzen“ über das ganze Jahr in unterschiedlichsten Klimaregionen. Doch der Erfolg blieb für Ruthner, der einige Patente angemeldet hatte, und damit auch sein „Turmgewächshaus“ aus. Während ein klassisches Glashaus diese laufende Energie nicht braucht, wurden die Energiekosten für Aufzugsantrieb und Luftumwälzung zum Todesstoß für den Ruthner`schen Glasturm. Er wurde als unrentabel gesehen. Heute werden allerdings, angesichts der Nahrungsmittelknappheit (auf dem „horizontalen Platz“ unserer Erde), wieder ähnliche Modelle der urbanen Landwirtschaft umgesetzt, wie zum Beispiel Projekte innerhalb des sogenannten „Vertical Farmings“ bzw. „Skyfarmings“. Dort, wo es wenig Fläche gibt, aber der Nahrungsmittelbedarf hoch ist, werden Ruthners Pionier-Ideen zur Landwirtschaft – obgleich weiterhin kostenintensiver als die Flächenlandwirtschaft – also wieder zum Trend und zu einem Zukunftsthema (wie z. B. „Reis-Hochhäuser“, unterirdische VF-Unternehmen etc.). Dieser Beitrag soll an den Wiener Neustädter Ruthner-Turm an seinem historischen Standort erinnern: an das letzte Unikat einer visionären Zukunftstechnik und an ein außergewöhnliches technisches Kulturgut. Wenn Sie mehr zum Wiener Neustädter Ruthner-Turm wissen möchten, finden Sie hier zwei wissenschaftliche Fachartikel als Download (publiziert über den Wiener Neustädter Denkmalschutzverein in der Zeitschrift "Unser Neustadt"): Teil 1: Artikel Ruthner-Turm – Schwerpunkt: Geschichte des Ruthner-Turms in Wiener Neustadt (2016) Teil 2: Artikel II Ruthner-Turm – Schwerpunkt: Geschichte des Ruthner-Turms in Österreich und darüber hinaus (2018) Außerdem: Hören Sie in den Beitrag des SWR vom 12. Februar 2022 hinein – „Der gläserne Gewächshausturm von Wien“ (ca. 5 Min.) von Stephan Ozsváth: Es geht um den Wiener Neustädter Ruthner-Turm Initiative zur Erhaltung des RT: Von 2016 bis 2018 bemühte sich eine Initiative in Wiener Neustadt (vorerst getragen vom unabhängigen Denkmalschutzverein) darum, dass der Wiener Neustädter Ruthner-Turm wieder an geeigneter Stelle aufgebaut und vielleicht sogar zu Anschauungszwecken betrieben wird. Darüber hinaus und in der Folge wurde von Dr. Werner Sulzgruber nicht nur die Expertise von Fachleuten eingeholt (z. B. vfi, TU Wien etc.), sondern es wurden von ihm auch Möglichkeiten eines neuen Standortes in der Stadt mit den jeweils Verantwortlichen und Interessierten abgeklärt (z. B. Neuklostergarten, Akademie, private Gärtnereien etc.). Dabei war zudem an ein Zusammenspiel von alternativer Stromgewinnung (z. B. Photovoltaik) und einem Vertical-Farming-Projekt gedacht. Das Ziel der ehrenamtlichen Arbeit bestand darin, der Eigentümerin, also der Stadtgemeinde Wiener Neustadt, konkrete und sinnvolle Lösungen vorzuschlagen. Neue Formen des Ruthner-Turms: An der HTL Wiener Neustadt teilte man rasch das Engagement für den Ruthner-Turm, befasste sich in Form von Diplomarbeiten mit dem Wiener Neustädter Ruthner-Turm und realisierte 2018/19 ein bemerkenswertes Projekt, in dem man sich in interdisziplinärer Arbeit gemeinsam mit anderen Bildungseinrichtungen in NÖ und im Burgenland mit neuen Formen eines Ruthner-Turms für das 21. Jh. auseinandersetzte. Erstmals wurden die Ergebnisse und zukunftsweisenden Formen einer neuen Generation von effizienten Ruthner-Türmen bzw. vergleichbaren Weiterentwicklungen am "Energietag 2019" an der HTL vorgestellt. Ist-Stand 2022: Der Wiener Neustädter Ruthner-Turm ist der letzte seiner Art in Österreich (aber auch in Europa und – aktuellen Forschungsergebnissen zur Folge – der Welt) und hat damit als technisches Kulturgut auch eine entsprechend nationale bzw. globale Bedeutung. Seine Einzelteile lagern immer noch auf dem Gelände des Alten Schlachthofes in Wiener Neustadt. Deshalb ist es wohl nur sinnvoll und wünschenswert, dass eine Aufstellung des gesamten Turms nunmehr an einem Ort erfolgt, der seinem historischen Wert als besonderes technisches Kulturgut Österreichs entspricht und würdig ist: zum Beispiel dem Technischen Museum Wien – als renommiertes Museum, Sammlungs-, Forschungs- und Ausstellungsort mit einzigartigen Exponaten in Österreich. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Schubert-Denkmal an der Haupt-Promenade durch den Stadtpark - Franz-Joseph-Denkmal im südwestlichen Stadtpark - Wetterhäuschen im südwestlichen Stadtpark Quellen/Literatur: Horst Riethus/Holger Bau, Das Turmgewächshaus nach Ruthner und seine Bedeutung für den Gemüsebau, Wien 1970. Werner Sulzgruber, Das Ruthner'sche Turmgewächshaus in Wiener Neustadt – das letzte seiner Art. In: Unser Neustadt. Blätter des Wiener Neustädter Denkmalschutzvereins 3-4/2016, S. 1-12.
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Der Jakober-Turm
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Kapuziner-Kloster – Bahngasse Der Jakober-Turm Ein noch erhaltener Zwischenturm der mittelalterlichen Stadtbefestigung steht unweit des Kapuziner-Klosters, das sich in der Bahngasse befindet. Er verdankt der örtlichen Kirche des Kapuziner-Bettelordens seinen Namen. Denn die Bezeichnung Jakober-Turm leitet sich von der von ihm nur wenige Meter nördlich gelegenen Klosterkirche St. Jakob (der Kapuzinerkirche) ab. In einem Tür-Überlager sind sowohl das für Kaiser Friedrich III. kennzeichnende Kürzel AEIOU als auch die Jahreszahl 1471 (oder 1477) zu lesen. Ende des 15. Jahrhunderts wurde der Turm vermutlich saniert und/oder verändert. Während des Zweiten Weltkrieges diente der Turm als Luftschutzraum, wie zum Beispiel an dem betonierten Vorbau zum Eingang sofort zu erkennen ist. Anmerkung: Aber wo ist der „Brüder-Turm“? Der Jakober-Turm wird übrigens in der Literatur auch als „Brüder-Turm“ bezeichnet. Aber nicht nur er, sondern auch der südwestliche Eckturm. Zum Beispiel nennt Dipl.-Ing. Dr. Erwin Reidinger – der Forscher, welcher bewiesen hat, dass die Neustadt im Jahre 1192 gegründet wurde – den Jakober-Turm „Brüder-Turm“. Im Gegensatz zu ihm verwendet man im Österreichischen Städteatlas und im Dehio-Handbuch des Bundesdenkmalamtes (über die Kunstdenkmäler Österreichs) die Bezeichnung „Brüder-Turm“ für den südwestlichen Eckturm. Der Name „Brüder-Turm“ wird also für zwei unterschiedliche Bauwerke eingesetzt, was verwirrend ist. Je nachdem welche Quelle ein Autor nützt, ist vom einen oder anderen als „Brüder-Turm“ die Rede – also Achtung! Die Bezeichnung „Brüder-Turm“ leitet sich vom alternativen Namen für die Kapuziner, die bekanntlich auch Minderbrüder genannt wurden, ab oder steht in Zusammenhang mit dem ganzen südwestlichen Stadtviertel der Neustadt, das Minderbrüderviertel bzw. Brüderviertel hieß. Es ist demnach sowohl für den Jakober-Turm als auch den südwestlichen Eckturm aufgrund der räumlichen Lage logisch, dass einer von beiden „Brüder-Turm“ hieß, aber nicht eindeutig zuzuordnen. Der historische Name Jakober-Turm ist für den gleich südlich des Kapuziner-Klosters stehenden Zwischenturm jedoch eindeutig. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Kapuzinerkirche und Kapuziner-Kloster - QR-Code-Station Café Casino Bank (beim Eingang der Firma Leiner in der Bahngasse): http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/qr-code-stationen-in-town/pplace/511?pfadid=10 Quellen/Literatur: Adolf Höggerl, Alt-Neustadt. Kunstdenkmäler und historische Gedenkstätten der autonomen Stadt Wiener Neustadt. Wiener Neustadt 1954. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995. Städteatlas Wiener Neustadt auf: http://mapire.eu/oesterreichischer-staedteatlas/wiener-neustadt/
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Der Stubenberger-Turm
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Lederergasse 29 Der Stubenberger-Turm Teile der noch erhaltenen südlichen Stadtmauer sind beim Parkplatz an der Lederergasse/Bräuhausgasse zu sehen. Dort kann auch das Fundament eines Zwischenturms unter die Lupe genommen werden: des „Stubenberger-Turms“. Seinen Namen hatte er vom steirischen Adelsgeschlecht der Stubenberger erhalten, das aus Pitten (südlich von Wiener Neustadt) stammt. Die Neustadt war im Mittelalter Teil des Pittener Gebiets gewesen. Auf Basis der Neuberger Teilungsverträge von 1379, in denen von den Erben Albrecht und Leopold die Aufspaltung der habsburgischen Länder beschlossen wurde, fiel die Grafschaft Pitten mit Wiener Neustadt an Herzog Leopold III., also die Leopoldinische Linie (welche fortan die Länder Steiermark, Kärnten, Tirol, die Vorlande, Krain u.v.a. verwaltete). Interessanterweise zählte man das Pittener Gebiet mit der Neustadt und dem nahen Neunkirchen in den Bereichen Gericht und Steuer aber nicht zum steirischen, sondern zum österreichischen Verwaltungsgebiet. Die Neustadt hatte bereits seit Jahrzehnten sichtbar eine Sonderstellung eingenommen, weil sie in den Aufzählungen des habsburgischen Länderbesitzes in den historischen Quellen gesondert (ab 1379 als Teil der Steiermark) erwähnt wird. Und übrigens: Zwischen der Stadtmauer und der Zwingermauer ist noch im Ansatz der zirka 25 Meter breite Stadtgraben zu erkennen. Dankenswerterweise ließ die Firma Leiner diesen Stadtmauerabschnitt restaurieren und überdachen. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Durchfahrt „Brauhof“ in der Lederergasse (Torbogen aus dem 20. Jahrhundert) - Inschriftentafel über Zriniyi und Frangipani (Stadtmauer am Leiner-Parkplatz in der Lederergasse) - Mosaik „Gärkeller“ der Brauerei (Stadtmauer am Leiner-Parkplatz in der Lederergasse) Quellen/Literatur: Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993. Alois Niederstätter, Die Herrschaft Österreich. Wien 2001. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995. Erwin Reidinger/Werner Jobst, Archäologische Bauforschungen in Wiener Neustadt. In: Carnuntum-Jahrbuch 1999. Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte des Donauraumes. Wien 2000.
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Der Biedermeier-Turm
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Stadtpark Der Biedermeier-Turm Nahe der Kreuzung Maria-Theresien-Ring/Lederergasse stößt man auf ein zweigeschoßiges Gebäude, das einem kleinen Turm ähnelt. Ein Schriftzug verrät uns Näheres, sofern man die Zeichen zu deuten weiß. Denn die beiden Buchstaben CB stehen für die Initialen des Bauherren Carl Friedrich Bräunlich, einem Textilunternehmer, nach dem auch eine Gasse – die Bräunlichgasse unweit des Standortes – benannt wurde. Die Zahl MDCCCXXXVI (für 1836) steht angeblich nicht für den Zeitpunkt der Errichtung dieses ungewöhnlichen Objektes, da dieser mit 1838/39 dokumentiert ist. Aber wofür sollte die lateinische Zahl sonst stehen? Obgleich das Gebäude als „Biedermeier-Gartenhäuschen“ bezeichnet wird, entspricht es eindeutig der Turm-Architektur. Sichtlich hatte sich der Industrielle Bräunlich die alten Wehrtürme zum Vorbild genommen und sich einen kleinen Privatturm erschaffen lassen. In der Mitte des 19. Jahrhunderts hatte die Stadtgemeinde begonnen, einen großzügigen Park für die Wiener Neustädter Bevölkerung anzulegen. Mitglieder der finanzkräftigen Bevölkerungsgruppe nahmen dies zum Anlass, um auf dem Areal Privatgebäude, beispielsweise einige Villen, erbauen zu lassen. Um den Park in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts räumlich zu erweitern, erwarb die Stadtgemeinde private Liegenschaften, darunter auch jene mit dem „Biedermeier-Turm“. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Europahaus (ehemalige Gestapo-Villa mit Gedenkraum) im östlichen Stadtpark Quellen/Literatur: Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993.
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Der Wasserturm – das Symbol der Stadt Wiener Neustadt
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Neunkirchner Straße/Günser Straße Der Wasserturm – das Symbol der Stadt Wiener Neustadt Kein anderes Bauwerk steht symbolisch für Wiener Neustadt wie der Wasserturm. Er ziert Postkarten, Logos und Produkte aus der Steinfeldstadt. Anstelle eines einfachen Zweckbaues entschieden sich die Stadtväter am Beginn des 20. Jahrhunderts dafür, einen repräsentativen Bau zu verwirklichen. In der Folge wurde das damals bekannte Architekten-Duo Theiß und Jaksch von der Stadtgemeinde mit der Planung beauftragt. Den Auftrag für die bauliche Umsetzung erhielt der Wiener Neustädter Baumeister Anton Koblizek; das Wiener Unternehmen C. Korte & Co führte die anspruchsvollen Metallarbeiten durch. Vor allem die Konstruktion des Wasserbehälters mit einem Fassungsvermögen von 780 m3 war eine technische Herausforderung. Der Turm wurde 1909/10 gebaut und schließlich 1911 in seinen Detailarbeiten abgeschlossen. Am 12. Dezember 1910 war der Sammelbehälter erstmals mit Wasser befüllt worden. Dieses holte man vom sogenannten Brunnenfeld im Süden der Stadt. Im November 1911 konnten die Steinarbeiten für das Portal abgeschlossen werden. Der Wassermann über dem Portal ist möglicherweise eine Anspielung auf die mythische Gestalt des „Aquarius“ (lat.) bzw. des „Hydrochóos“ (grch.), also des sogenannten „Wassergießers“. Seit der Antike wird er als Mann, der Wasser aus einem Krug gießt, dargestellt. Ein Fischmensch (namens Oannes) ist uns aus der alten babylonischen Zeit überliefert. Probleme im Zusammenhang mit der Wasserversorgung in Wiener Neustadt hatten ursprünglich dazu geführt, ein Versorgungssystem auf dem damaligen neuesten Stand der Technik zu realisieren. Die Anzahl der Einwohner war kontinuierlich angestiegen und damit erhöhte sich auch der Wasserbedarf. Das oft verunreinigte Wasser der privaten Brunnen und aus Wasserläufen führte zu Erkrankungen, die Hygienemaßnahmen notwendig machten. Angeblich soll versucht worden sein, einen Wasserbehälter auf dem Turm der Militärakademie einzubauen, was Kosten erspart hätte, wenn dies nicht von den militärisch Verantwortlichen abgelehnt worden wäre. Mit dem neuen Wasserturm war die Stadt damit in der Lage, sauberes Trinkwasser zu bieten und in mehrstöckige Gebäude zu liefern. Man hatte außerdem ein Bauwerk geschaffen, das schnell mehr als nur ein Zweckbau wurde: ein Symbol für die Steinfeldstadt. Es war damals eine Zeit der technischen Errungenschaften und der Aufbruchsstimmung in Wiener Neustadt. Daher scheute man keine Kosten für den Wasserturm. 1907 hatte man ein für seine Zeit hochmodernes Elektrizitätswerk errichtet und plante sogar elektrische Autobuslinien für die Stadt. Ebenfalls 1907 war der „Posthof“ in der Wiener Straße errichtet worden, eine Zentrale für die k. k. Post, aber auch für die moderne Telegraphie- und Telefon-Kommunikation. 1909 wurde das erste österreichische Flugfeld in Wiener Neustadt eröffnet – Pioniergeist, wohin man blickte. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Wiener Neustädter Wasserturm 1945 fast gänzlich zerstört, das heißt nicht der ganze Turm, sondern vor allem sein oberer Abschnitt: das Behältergehäuse mit seinem Dach und dem Hochbehälter. In der Nachkriegszeit kam es zum Wiederaufbau des Turms in sehr ähnlicher Art und identer Höhe von 50 Metern. Seit Generationen wird behauptet, dass der berühmte Corvinusbecher als Vorbild für den Wasserturm gedient habe. Doch es ist ein Mythos – ohne jeden Beleg. Ebenso handelt es sich um Gerüchte, dass der Behälter undicht gewesen wäre, der Turm sogar schief gewesen sei und der neue Turm 1950 höher gebaut worden wäre. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Militärakademie - Akademiepark Quellen/Literatur: Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen. Leipzig/Darmstadt 1841. Karl Flanner, Wiener Neustadt: G’schichtln & Geschichte. Wiener Neustadt 1998. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993.
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Der Rákóczi-Turm
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Burgplatz 1 Der Rákóczi-Turm Die Militärakademie bestimmt das Bild auf dem Burgplatz. Der Platz selbst trägt seinen Namen aus alter Zeit, denn die Militärakademie war einst die Burg der Neustadt und Sitz der Habsburger Kaiser am Ende des Mittelalters. Hier ist in der St.-Georgs-Kirche Kaiser Maximilian I., der letzte Ritter, begraben. Es heißt, seine letzte Ruhestätte befindet sich „zwischen Himmel und Erde“, und unter seinem Grab kann ein Heuwagen durchfahren. Denn er ist tatsächlich im Boden der Kirche bestattet, die inmitten des West-Trakts und oberhalb der Haupteinfahrt in den Innenhof angelegt ist. Im 15. Jahrhundert wird uns die Burg so beschrieben: „An dem Eck [der Stadt] gegen Ungarn zu, liegt ein Schloß auf Pfeilern gebaut, auf demselbst sind schöne Gärten gepflanzt, und hat ringsumher einen weiten tiefen Graben, ist auch ein Viereck, an welchem einer Seits sich ein hoher Thurm und rückwärts des Kaisers Lust- und Thiergarten befindet. Dieser ist mit einer Mauer umschlossen, und haben die Thiere Platz genug, sich darin zu erlustigen, indem er 15.000 Schritte weit ist, darin befinden sich heimische und wilde Thiere von allerlei Art.“ Obgleich hier nur von einem Turm die Rede ist, so zeigen spätere Abbildungen der Burg vier Türme. Von diesen ist – nach einem schweren Erdbeben im Jahre 1768 – noch nur noch ein einziger heute übrig, und er entspricht auch nicht mehr dem einstigen Aussehen. Der Nordwest-Turm der Burg trägt den Namen des Fürsten von Siebenbürgen Franz II. Rákóczi: Rákóczi-Turm. Franz II. Rákóczi war 1701 in der Burg gefangen gesetzt worden. Ihm war vorgeworfen worden, gemeinsam mit den Franzosen eine Verschwörung gegen die Habsburger angezettelt zu haben. Ihn erwartete lebenslange Haft (im Schloss Rattenberg in Tirol). Aber es kam völlig anders, denn am 9. November gelang Rákóczi aus seinem Gefängnis im ersten Stock des Nordwestturms die Flucht. Der Hauptmann der Burg hatte ihm dies ermöglicht, jener war nämlich mit einer hohen Geldsumme bestochen worden. Der korrupte Hauptmann wurde alsdann durch Vierteilung am 14. Dezember 1701 auf dem Hauptplatz gerichtet. Ein wenig bekanntes Detail dieser Geschichte ist, dass schon Rákóczis Großvater in der Burg zu Neustadt eingesperrt gewesen war und hier genau im selben Raum auf seine Todesstrafe warten musste. Rákóczi war durch die Inhaftierung keineswegs eingeschüchtert worden, sondern übernahm bald die Führung der größten Erhebung des ungarischen Adels gegen die Habsburger-Herrschaft, des berühmten Kuruzzen-Aufstandes (1703-1711). 1617 hatte der Eckturm der Burg vier Glocken erhalten. Der Turm diente der Militärakademie als Wachturm, da man den städtischen Raum von hier aus sehr gut überblicken konnte. Um zirka 1800 war er Standort für ein astronomisches Observatorium, später auch einer von mehreren Orten, an dem meteorologische Messungen vorgenommen wurden. Am Beginn des 20. Jahrhunderts beherbergte er im oberen Bereich einen Glockenstuhl und Glocken (im fünften und sechsten Stock) sowie ein Wasserreservoire (im siebenten Stock). Über eine ostseitig integrierte Wendeltreppe gelangte man bis auf die Plattform auf die höchste Turm-Ebene. In der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts beherbergte der Rákóczi-Turm die geologische Sammlung der Stadt Wiener Neustadt. Über die Zeitspanne von 1919 bis 1934 befand sich in der Burg kein militärisches Ausbildungszentrum, sondern stattdessen eine höchst innovative Bundeserziehungsanstalt (BEA), die den Namen „Schule am Turm“ trug. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Innenhof der Burg mit Wappenwand - Museum der Militärakademie - Sgraffito-Haus in der Neunkirchner Straße 19 = QR-Code-Station mit mehr Informationen: http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/qr-code-stationen-in-town/pplace/509?pfadid=10 Quellen/Literatur: Otto Aull, Die Kunstdenkmäler Wiener-Neustadts. Wien 1930. Ferdinand Carl Böheim, Chronik von Wiener-Neustadt. Wien 1830. Karl Flanner, Wiener Neustadt: G’schichtln & Geschichte. Wiener Neustadt 1998. Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993. Leopold Hinner, Unser Heimatort Wiener-Neustadt. Ortsbeschreibung und Bilder aus der Geschichte und Sage der Stadt. Wien 1913. Alfred Hrubant/Brigitta Listmayr, Die Burg zu Wiener Neustadt. Wiener Neustadt 2005. Johann Jobst (Hg.), Die Neustädter Burg und K. u. k. Theresianische Militärakademie. Wien/Leipzig 1908.
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Der Neustädter Rathaus-Turm – der „Stadtturm“
47.812420
16.243642
Hauptplatz 1 Der Neustädter Rathaus-Turm – „Stadtturm“ Auch das Rathaus von Wiener Neustadt hat einen Turm – und noch dazu von wirklich ungewöhnlicher Gestalt. So mancher Besucher liest die Jahreszahl an der Wetterfahne (1903) und meint, dass der Turm damals errichtet worden wäre. Aber das Rathaus hat seine baulichen Ursprünge im 15. Jahrhundert, als es als „Stadthaus“ bezeichnet wurde. 1401 findet es erstmals urkundlich Erwähnung. Der Turm, also der „Stadtturm“, wurde im Rahmen der Neugestaltung des Gebäudes zur Zeit der Renaissance erbaut. Auf diese Umbauphase weisen uns die Jahreszahlen 1596 und 1615 auf dem Schlussstein über dem Portal des Rathauses hin. Schon 1587 hatte der Steinmetzmeister Max Pagamin den Auftrag bekommen, einen Turm zu errichten, den er in wenigen Jahren 1590 fertig stellte. (In seinem obersten Geschoß weist der Turm deshalb die Jahreszahl 1590 auf.) Damals hatte der Turm einen pyramidenförmigen Abschluss. Es wird ein älterer „Stadtturm“ vermutet, der sich auf dem Hauptplatz befunden hatte: nämlich an der Nordost-Ecke des „Grätzls“ (also der Bebauung des Hauptplatzes). Dieser ältere „Stadtturm“ könnte auf einer Achse nach Norden („gegen Mittag“) – als Linie zwischen der Neunkirchner Straße und Wiener Straße – gestanden sein. Deshalb könnte die Ostwand dieses älteren „Stadtturms“ (wie auch die der „Grätzl-“Ecke) als Sonnenuhr genützt worden sein. Auch in anderen Städten Niederösterreichs gab es solch einen „Stadtturm“ auf dem Hauptplatz, wie er beispielsweise in Enns und Retz noch heute zu sehen ist. In den Jahren 1625 und 1699 richteten Stadtbrände am Rathaus Schäden an, wodurch Ornamente und Malereien verloren gingen. Nach dem „Großen Stadtbrand von Wiener Neustadt“ von 1834 mussten die Fassade und der obere Bauteil des Turmes völlig neu hergestellt werden. Nun bekam der Rathaus-Turm einen „Turmhelm“, also eine Kuppel aus Kupfer (die 1903 saniert wurde). Sein ungewöhnliches Aussehen gab Anlass zu Spekulationen, wie zum Beispiel, dass von dort aus die Gestirne beobachtet würden. Aber der Turm hatte nie eine besondere Funktion, denn für die Beobachtung des Stadtgebiets war er zu klein, weshalb bekanntlich im südlichen Domturm die Feuerwache gehalten wurde. Der Neustädter Rathaus-Turm diente schlichtweg der architektonischen Erhöhung und Kennzeichnung des zentralen Verwaltungsgebäudes der Stadt. Das alte Rathaus ist ein höchst verwinkelter Bau und ein Produkt zahlreicher Umbauten. Erwähnenswert ist beispielsweise der kleine Hof mit Lauben mit toskanischen Säulen. Aber natürlich auch auf die Wappen und Insignien an der Front zum Hauptplatz ist hinzuweisen. Diese befanden sich ursprünglich bis ins 19. Jahrhundert an Stadttoren (wie am Neunkirchner Tor) und wurden nach deren Abriss an der Fassade des Rathausgebäudes angebracht. Zuvor waren sie übrigens im Innenhof einer Schule in der Herzog-Leopold-Straße eingemauert gewesen. An der Ostseite des Rathauses erkennt man, dass ein Fenster zugemauert ist. Der Überlieferung nach soll Kaiser Ferdinand I. 1522 anlässlich des „Wiener Neustädter Blutgerichts“ (der Bestrafung von Wiener Ratsherren – wegen des Widerstandes gegen die kaiserliche Autorität – mit dem Tode) von diesem Standort aus die Hinrichtung auf dem freien Platz beobachtet und anschließend befohlen haben, dass dieses Fenster fortan vermauert sein solle, was auch geschah. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Bombengedenksäule am Hauptplatz 3 - Mariensäule am Hauptplatz - Alte Kronen-Apotheke = QR-Code Station mit mehr Informationen: http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/qr-code-stationen-in-town/pplace/503?pfadid=10 - Schrauthammer-Brunnen am nordwestlichen Hauptplatz Quellen/Literatur: Otto Aull, Die Kunstdenkmäler Wiener-Neustadts. Wien 1930. Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Topographisches Denkmälerinventar. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2, Horn/Wien 2003. Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Gertrude Gerhartl, Wiener Neustadt. Wien/München 1983 [Niederösterreichischer Kulturführer]. Leopold Hinner, Unser Heimatort Wiener-Neustadt. Ortsbeschreibung und Bilder aus der Geschichte und Sage der Stadt. Wien 1913. Adolf Höggerl, Alt-Neustadt. Kunstdenkmäler und historische Gedenkstätten der autonomen Stadt Wiener Neustadt. Wiener Neustadt 1954. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995. Leo Woerl (Hg.), Führer durch Wiener-Neustadt. Wien/Würzburg 1892 [Woerl's Reisehandbücher].
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Der Schlegelgarten-Turm
47.814010
16.247949
Gelände des Krankenhauses Wiener Neustadt Der Schlegelgarten-Turm Nicht unerwähnt soll ein Turm sein, der zwar abseits unserer Tour liegt, aber einen Besuch wert ist, weil sich heute darin auch ein kleines Museum befindet: Auf dem Gelände des Krankenhauses von Wiener Neustadt finden sich noch einige Reste der mittelalterlichen Stadtbefestigung. Wenngleich vom nordöstlichen Eckturm, dem „Deutschherren-Turm“ – der sich im Hof der physikalischen Abteilung befindet – nur noch die Grundmauern vorhanden sind, so ist einer der Zwischentürme vollständig erhalten: der „Schlegelgarten-Turm“. Dieser Wehrturm wurde Ende des 12. Jahrhunderts erbaut, wobei aus dieser Zeit nur die quadratisch gesetzten Fundament-Mauern erhalten sind. Der zweigeschoßige Turm (der wohl dreigeschoßig war) trägt immer noch die Zeichen Kaiser Friedrichs III., AEIOU, an der Ost- und Westseite sowie die Jahreszahl 1470 an seiner Westfassade – wohl ein Hinweis auf den neuen Ausbau des Turms im 15. Jahrhundert, wie auch beim Brüderturm. Der Name des Turms leitet sich von seinem früheren Besitzer, dem Münzmeister Ferdinand Schlegel (Schlögel) ab, der den Wehrturm an die Stadtgemeinde verkaufte. Die Stadtväter benannten in der Folge nach ihm die westlich verlaufende Gasse „Am Schlegelgarten“ (heute Schlögelgasse). Einst könnte sich im Turm eine (Rauch-)Küche oder Schmiede befunden haben, worauf eine von der Decke herabhängende Wand (eine sogenannte „Rauchschürze“) hinweist. Das Bauwerk wurde jedenfalls zur Arbeitsstätte, indem die Stadt dort später eine Büglerei und Näherei unterbrachte. Das wunderbare Tonnengewölbe im Untergeschoß wurde danach zum Abstellraum. Spät wurde der historische Wert des Turmes erkannt. Mit einer nachhaltigen Restaurierung durch die HTL Wiener Neustadt gewann der „Schlegelgarten-Turm“ wieder seine besondere Ausstrahlung zurück. Der ehemalige kaufmännische Direktor des Wiener Neustädter Krankenhauses, Mag. Herbert Schnötzinger, hatte die Idee zur Einrichtung eines Museums im „Schlögl-Turm“. Seit dem Jahr 2000 beherbergt er das Krankenhaus-Museum. Öffnungszeiten: Di, Mi, Do 14-17 Uhr (Beachten Sie: Das Museum ist zurzeit geschlossen!) Für Gruppen ist die Besichtigung auch außerhalb der Öffnungszeiten gegen Voranmeldung unter der Telefonnummer 02622/321-2280 möglich. Exkurs: Der Mühl-Turm Nordwestlich des Schlegelgarten-Turms stand bis 1953 der „Mühl-Turm“, ein Zwischenturm, der auch „Bastei- oder Anger-Turm“ genannt wurde. Man bezeichnete ihn, als er als Wohnhaus Verwendung gefunden hatte, aufgrund des schlechten Zustandes als „Ratzenturm“ und „Rattenburg“. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste er wegen des Baues der Grazer Straße 1951 abgebrochen werden. Quellen/Literatur: Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Topographisches Denkmälerinventar. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2, Horn/Wien 2003. Gertrud Buttlar, Die Ruhe vor dem Sturm. Wiener Neustadt vor der Zerstörung durch die Bomben. Wiener Neustadt 1989. Walter Edelbauer, Das A. ö. Krankenhaus Wiener Neustadt im Spiegel der Zeit 1321-2000. Wiener Neustadt 2000. Gertrude Gerhartl, Wiener Neustadt. Wien/München 1983 [Niederösterreichischer Kulturführer]. Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995.
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Die Domtürme
47.814840
16.242426
Domplatz Die Domtürme Die spätromanische Pfarrkirche (Liebfrauendom) wurde als zentrales Kirchengebäude für die neu gegründete Stadt über Jahrzehnte gebaut. Begonnen hatte man mit der Vermessung im Jahre 1192. Zum Bau der Kirche wurden Fachleute in die Stadt geholt, die das Gotteshaus mit ihrem außerordentlichen mathematischen und technischen Wissen in größter Perfektion in den Himmel bauten. Dieses Wissen wurde innerhalb der Zunft bzw. der Bauhütte geheim gehalten. 1279 wurde das Gotteshaus schließlich zu Ehren der Jungfrau („lieben Frau“) Maria und des Heiligen Rupert geweiht. Neben dem Haupttor ist das romanische Tor an der Südseite – das sogenannte „Brauttor“ – erwähnenswert. 1469 wurde die Neustadt zum Bistum erhoben, wodurch die Kirche den Status einer Kathedrale erhielt. (Übrigens verlor die Stadt 1785 diesen Stellenwert, wurde aber 1989 vom Heiligen Stuhl in Rom als Titularbistum anerkannt.) Die beiden zirka 65 Meter hohen Türme des Wiener Neustädter Doms sind, wie ein erster Blick auf die Vorderseite sofort bestätigt, äußerlich nicht gleich. Sie weisen einige Unterschiede auf und sind, was der/die Passant/in vom Boden aus nicht sehen kann, nicht gleich hoch. Können Sie die Differenzen erkennen? Einst verband eine sichtbare freie Brücke die beiden Türme. Aus diesem Umstand erklärt sich eines der vermeintlichen „Wunder“ von Wiener Neustadt, nämlich dass hierorts eine Brücke über eine Kirche führt. Diese verlief knapp oberhalb des Daches des Langschiffs auf der Geschoß-Ebene unterhalb der hohen Fenster des Glockenstuhls bzw. -werks. Ende des 19. Jahrhunderts entfernte man diesen nicht ungefährlichen Übergang – der eigentlich ein kräftesparendes Wechseln von einem Turm auf den anderen ermöglichen sollte. Über die Jahrhunderte wurden die Türme zunehmend baufällig, und so entschied man sich notgedrungen dazu, umfassende Maßnahmen zu setzen, um die Türme für die Nachwelt zu retten. Fast unglaublich erscheint es heute, dass man 1886 begann, die Türme bis zu ihrer Basis abzubauen: ein wahres Kunststück der Bautechnik. Der Pfarrplatz wurde damals zu einer Großbaustelle; und es war das Ziel der Verantwortlichen, die Türme wieder vollends zu rekonstruieren. Von 1892 bis 1899 wurden die Türme neu aufgebaut. Die feierliche Schlusssteinlegung am 28. November 1899 beehrte Kaiser Franz Joseph I. mit seiner persönlichen Anwesenheit. In der Zeit des Zweiten Weltkrieges war der Dom wegen der Bombardements der Stadt durch die Alliierten schwer gefährdet. Bombeneinschläge in der Umgebung des Doms führten dazu, dass das Dach teilweise abgedeckt war und Fenster durch die Druckwellen zerborsten waren, aber die Kirche wurde nicht getroffen – ein wahres Wunder bei rund 52.000 Bomben, die auf Wiener Neustadt fielen und angesichts der vielen völlig zerstörten Gebäude in der nahen Umgebung. Dennoch schlugen Splitter, Geschossteile und Trümmer in die Außenwände des Gotteshauses. Ein Geschoss durchschlug am 1. April 1945 (als die Truppen der Sowjets das Stadtgebiet beschossen und überrollten) sogar das Dach des Südturmes. Die Sowjets vermuteten nämlich Artilleriebeobachter auf den Türmen und hätten daher wohl bei einem längeren Kampfverlauf die Türme zerschossen. Der südliche Domturm hat an seiner Seite ein kleines Türmchen (ein sogenanntes „gotisches Treppentürmchen“) gesetzt. Über seinen Eingang gelangt man in das Innere des Südturms und kann über 230 Stufen zu den Glocken und in eine Turmwachstube hochsteigen. Von dort aus überwachte ein Türmer das Stadtgebiet, dessen Aufgabe es war, Gefahren zu melden. Nach einer großen Zahl von Stadtbränden – zuletzt 1834 („Großer Stadtbrand“) – kam der Feuerwache eine wichtige Bedeutung zu. Deshalb war in Wiener Neustadt bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein solcher Türmer tätig. Das Turmmuseum im Dom und damit die Türmerstube, also der Arbeitsplatz des Türmers, können bei trockenen Wetterverhältnissen besucht werden. Öffnungszeiten: ACHTUNG: Zur Zeit wegen notwendiger Renovierungsarbeiten geschlossen! Mai bis Oktober, bei Schönwetter nach Anmeldung im Stadtmuseum, 10.30 Uhr und 14.30 Uhr, für Gruppen nach Terminabsprache auch außerhalb dieser Zeiten Eintrittspreise: 2,00 € Erwachsene; 1,00 € Schüler, Studenten, Senioren, Grundwehrdiener Anmeldung: Stadtmuseum Wiener Neustadt, Petersgasse2a, Tel: 02622/373-950 oder -951 Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Stadtmuseum Wiener Neustadt, Petersgasse 2 - ACHTUNG: Zur Zeit wegen Umbauarbeiten für die Landesausstellung 2019 geschlossen! - Propstei, Domplatz 1 = QR-Code-Station mit mehr Information: http://www.zeitgeschichte-wn.at/stadt-spaziergaenge/qr-code-stationen-in-town/pplace/502?pfadid=10 Quellen/Literatur: Karl Flanner, Wiener Neustadt: G’schichtln & Geschichte. Wiener Neustadt 1998. Gertrud Gerhartl, Der Dom zu Wiener Neustadt. Wien/Köln/Graz 1979. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993. Leo Woerl (Hg.), Führer durch Wiener-Neustadt. Wien/Würzburg 1892 [Woerl's Reisehandbücher].
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Der Reckturm
47.816510
16.240953
Reyergasse/Petersgasse Der Reckturm Der „Reckturm“ ist der nordwestliche Eckturm der mittelalterlichen Neustadt. Er wurde nicht in den Verlauf der Stadtbefestigung eingepasst, sondern in einem 45-Grad-Winkel gesetzt – nicht ohne Grund. Denn damit war es den Verteidigern der Stadt besser möglich, das Vorgelände, also den Zwinger, den Stadtgraben und die freien Flächen nach Nordwesten einzusehen und zu beobachten. Obgleich man heute nahe dem Turm eine Durchfahrt sieht, so war hier in mittelalterlicher Zeit kein Stadttor. Der Turm misst 8,56 x 8,48 Meter und hat eine Außenmauer-Dicke von beachtlichen 2,43 Metern. Er war nach dem SW-Eckturm (mit 2,51 Metern Mauerstärke) der Eckturm mit der zweitstärksten Außenmauer. Die nördliche Stadtmauer war im Vergleich zu jener an der Süd-, Ost- und Westseite durchgehend etwas dünner, nämlich nicht rund 1,6 Meter, sondern 1,4 Meter. Die nördliche Stadtmauer wurde wegen des sumpfigen Vorfeldes ein bisschen „dünner“ angelegt, da hier Angriffe eher unwahrscheinlich waren. Denn Feinde konnten hier schweres Gerät bzw. ihre Belagerungs- und Wurf-Maschinen nicht nahe an die Stadtmauer heranbringen. Der „Reckturm“ hieß ursprünglich „Stuckturm“, weil er zur Aufbewahrung von „Stuck“, also Waffen diente. Die Bezeichnung „Reckturm“ leitet sich von der Foltermethode des Reckens (zum Beispiel durch das Strecken auf einer Streckbank, dem „Reckbankl“) ab. Bis ins 19. Jahrhundert hatte sich hier das städtische Gefängnis – das Zivilgefangenenhaus und Amtshaus – befunden. Daher wurde hier bis ins 18. Jahrhundert auch die peinliche Befragung vorgenommen und gefoltert. In der bekannten Böheim-Chronik von Wiener Neustadt hieß es 1830: „Man sieht noch heutiges Tags Ueberbleibsel jener schrecklichen Werkzeuge, nämlich das Rad und die Welle der furchtbaren Folter, auf der man die Glieder jener Unglücklichen so lange zerrte, bis das Uebermaß des Schmerzes sie zwang, das Geständnis der wahren oder fälschlichen Anschuldigung abzulegen.“ 1671 beschuldigte man eine über 60-jährige Witwe namens Afra Schick aus dem nahe gelegenen Bromberg–Schlatten der Hexerei. Ihr wurde nicht nur der Bund mit dem Teufel, sondern auch Kurpfuscherei vorgeworfen. Gefoltert gestand sie schließlich und wurde als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt. (Dieser war weit außerhalb der Stadtmauern im Norden errichtet worden, wo sich heute die Säule „Spinnerin am Kreuz“ an der Wiener Straße befindet.) Der Turm sollte zur Jahrhundertwende (1900) abgerissen werden. Damals erkannte man den Wert dieses Eckturmes zweifellos nicht und begann damit, das Dach, den obersten Teil des Turms und die angrenzende Westmauer abzureißen. Der Kunsthistoriker Dr. Franz Staub erreichte es, dass die Demolierungsarbeiten 1901 eingestellt wurden, und darüber hinaus, dass eine Wiederherstellung erfolgte. Man nahm sich dafür alte Ansichten zum Vorbild. Staubs Einsatz wird durch eine Gedenktafel über der Eingangstüre in den Turm gewürdigt. Es war also eine Privatinitiative, die den Erhalt des Reckturms sicherstellte. Auch heute ist es dem privaten Engagement der Familie Karlik zu verdanken, dass wir den Turm besuchen können. Im Reckturm ist ein kleines Privatmuseum eingerichtet, das vor allem Waffen präsentiert. Vor einigen Jahren wurde ein Kerker unter dem Fußboden des Erdgeschoßes entdeckt und freigelegt. Das Areal des Reckturms ist in Wiener Neustadt der einzige Ort, wo man auf einem hölzernen Wehrgang über die Stadtmauer blicken kann. Dort und beim SW-Eckturm sieht man Reste des vor der Stadtmauer gelegenen (teils rekonstruierten) Zwingers bzw. der Zwingermauer. Öffnungszeiten: 1. Mai bis 31. Oktober, Di, Mi und Do jeweils 10-12 Uhr, 14-16 Uhr, jeden ersten Samstag und Sonntag im Monat jeweils 10-12 Uhr Gegen Voranmeldung unter Tel: 02622/27924 bzw. 0676/5829168 (Herr Josef Karlik) Quellen/Literatur: Ferdinand Carl Böheim, Chronik von Wiener-Neustadt. Wien 1830. Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Topographisches Denkmälerinventar. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2, Horn/Wien 2003. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993. Adolf Höggerl, Alt-Neustadt. Kunstdenkmäler und historische Gedenkstätten der autonomen Stadt Wiener Neustadt. Wiener Neustadt 1954. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995.
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Der Weißpriacher-Turm
47.815030
16.240273
Reyergasse 9 Der Weißpriacher-Turm Nach nur kurzer Wegzeit in Richtung Süden wartet im Haus Reyergasse 9 eine Überraschung. Denn in diesem Wohngebäude verbirgt sich ein mittelalterlicher Turm, dessen südwestliche Außenwände noch an den Buckelquader-Steinen erkennbar sind. Der Turm war in der Mitte des 19. Jahrhunderts in ein Haus integriert worden. Der Name des Turms leitet sich vom Kärntner Adelsgeschlecht der Weißpriacher ab. (Die Gemeinde Weißpriach liegt im Salzburger Lungau.) Die Adelsfamilie hatte unter anderem in der Neustadt und der Region Besitz, wie beispielsweise die Herrschaft Hernstein, Burg Schwarzenbach und Burg Forchtenstein. Unweit des Standorts des Weißpriacher-Turms findet sich – an der Fassade des Hauses Reyergasse 10 – eine Darstellung, die einen gelungenen Überblick über die alte mittelalterliche Neustadt vermittelt. Hier sieht man auch die gesamte Zahl der Türme: vier Ecktürme, 10 Zwischentürme und vier Stadttore, die wiederum durch Türme führten. Dieses Sgraffito stammt vom Wiener Neustädter Künstler Hans Schandl und wurde 1959 geschaffen. Forschungen des Bautechnikers Dipl.-Ing. Dr. Erwin Reidinger haben 1995 ergeben, dass kein Turm in seinen Abmessungen einem anderen gleicht. Er nimmt außerdem an, dass beim Bau der Neustadt von den Baumeistern des Hochmittelalters stets bei den Türmen begonnen worden war und dann die Mauern zwischen den Türmen gezogen wurden. Der größte Abstand zwischen Türmen der mittelalterlichen Stadtbefestigung ist rund 180 Meter (= 100 Klafter). Aufgrund dessen konnten Bogen- oder Armbrustschützen von den Türmen aus die zwischen ihnen liegenden Flächen schützen, weil die Reichweiten ihrer Waffen dafür ausreichten. Die Abstände zwischen den Türmen auf der Süd- und Ostseite der Stadt waren geringer. Insofern war die Wehrhaftigkeit dort höher. Die Mauerstärke der Süd-, Ost- und Westseite war mit zirka 1,62 Metern (= 5 1/2 Fuß) fast gleich; nur die Nordseite war mit zirka 1,42 Metern (= 4 4/5 Fuß) weniger wehrhaft. Der Südosten der Stadt, wo auch die Burg errichtet wurde, wies die größte Wehrhaftigkeit der Neustadt auf. Quellen/Literatur: Gertrude Gerhartl, Wiener Neustadt. Wien/München 1983 [Niederösterreichischer Kulturführer]. Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Johann Christian von Hellbach, Adels-Lexikon. Ilmenau 1826. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995.
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Der Turm des Neu-/Fischauer-/Fleischhacker-Tors
47.813580
16.239551
Herzog-Leopold-Straße/Platz vor dem BORG Wiener Neustadt Der Turm des Neu-/Fischauer-/Fleischhacker-Tors Auf dem Weg zum nächsten Turm geht man über die Herzog-Leopold-Straße, wo sich unweit der letzten Häuser der Fußgängerzone auf dem sich öffnenden Platz eine Bodenkennzeichnung in der Straßenpflasterung erkennen lässt. Diese erinnert an den Standort von einem der vier Stadttore (hier eines äußeren Tores): an das Neu-/Fischauer-/Fleischhacker-Tor mit dem Neu-/Fischauer-Turm. Die Bezeichnungen dieses Tores bzw. Turmes leitet sich davon ab, dass das Tor den Weg in Richtung Westen, nach Fischau, freigab. Vor dem Stadttor befanden sich Hütten der Fleischhauer bzw. Metzker – daher auch Fleischhacker Tor („Mezker portten“). Die heutige Herzog-Leopold-Straße hieß früher Neue Judengasse bzw. verkürzt später Neugasse, weshalb zur entsprechenden Zeit auch vom Neutor die Rede war. Die vier Stadttore muss man sich als wuchtige Bollwerke vorstellen. Die Tore waren keine einfachen Torbögen, sondern in hohe Türme eingefasst. Wurden sie als Doppel-Türme realisiert, dann überragte der innere Turm den äußeren. Über dem Torbogen des äußeren Fischauertors befand sich ein Wappen-Stein aus dem Jahr 1613, der 1936, gemeinsam mit anderen Wappen-Steinen der abgerissenen Stadttore, in die Fassade des Rathauses eingemauert wurde. In der lateinischen Inschrift unter dem Wappen heißt es: „Dieses Tor wurde von Grund auf errichtet aus Mitteln der Neustädter Sparkasse unter dem Bürgermeister Simon Tollasch und dem Stadtkämmerer Laurenz Fellner. 1613“ 1713 schlug ein Blitz in die Pulverstampfe vor dem Fleischhacker-Tor (Neutor) ein, wodurch eine Dörrhütte in die Luft ging und ein Schafstall abbrannte; die Stampfe selbst mit 15 Zentnern Schwarzpulver und 5 Zentnern Salpeter blieb allerdings unversehrt, sodass es zu keiner Brandkatastrophe kam. Zur Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich in Wiener Neustadt eine Bewegung zur Moderne, in der man sich von „Altem“ trennen wollte. Unter der Regierungszeit von Bürgermeister Johann Kindler wurden alle Tor-Türme und große Bereiche der Stadtmauer abgerissen. In den frühen 1860er Jahre kam es zum Abriss des Neutors, zeitgleich mit dem Neunkirchner Tor (im Süden). Das Abbruchmaterial wurde zum Zuschütten des Stadtgrabens verwendet. Auch die kleinere Zwingermauer fiel den Erneuerungsmaßnahmen zum Opfer. 1863 wurde das Ungartor (im Osten) geschleift, und 1864 begann man das Wiener Tor (im Norden) zu zerstören: unwiederbringliche Verluste historischer Bauten der Neustadt. 1998 stieß man beim Bau der Tiefgarage auf bauliche Reste des äußeren Turms des einst (ab 1613) doppeltürmigen Tores. Die Ausgrabungen wurden vom Stadtbau-Experten Dipl.-Ing. Dr. Reidinger genauestens dokumentiert. Die mit grauen Natursteinen markierte Fläche spiegelt den Grundriss der entdeckten Bauteile vor 1613 wider: die Mauern des Stadtgrabens, der auf einer Brücke überwunden wurde. Die Bodenkennzeichnung mit roten Natursteinen markiert die baulichen Reste ab 1613, konkret Bereiche des äußeren Tores und der Zwingermauer. Zur Zeit des Abbruchs aller Stadttore (1851/1861-64) schuf man entlang der Westmauer (zwischen Herzog-Leopold-Straße und Bahngasse) eine Baum-Allee und eine blumenreiche Grünzone. Musik-Veranstaltungen im Stadtpark lockten viele Bewohner auf der „Beethovenallee“ dorthin. Ein abschließender Hinweis: Sehen Sie sich die Vitrine des Treppenhauses zur Tiefgarage an, denn dort finden Sie interessante Abbildungen, ein Modell des Tores u. v. a. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Stadttheater, Herzog-Leopold-Straße 17 - Evangelische Kirche (Auferstehungskirche), Ferdinand-Porsche-Ring 4 Quellen/Literatur: Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Topographisches Denkmälerinventar. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2, Horn/Wien 2003. Karl Flanner, Wiener Neustadt: G’schichtln & Geschichte. Wiener Neustadt 1998. Ferdinand Carl Böheim, Chronik von Wiener-Neustadt. Wien 1830. Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Gertrud Gerhartl, Wiener Neustadt. Geschichte, Kunst, Kultur, Wirtschaft. Wien 1993. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995. Erwin Reidinger/Werner Jobst, Archäologische Bauforschungen in Wiener Neustadt. In: Carnuntum-Jahrbuch 1999. Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte des Donauraumes. Wien 2000.
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Der Rabenturm
47.812070
16.239022
Beethovenallee/-gasse Der Rabenturm Der südlich des Neu-/Fischauer-/Fleischhacker-Tores nächstgelegene Turm war der „Rabenturm“. Er war einer von insgesamt fünf Zwischentürmen an der Westmauer. Es handelt sich um einen Wehrturm mit drei Geschoßen. Woher sich sein Name ableitet, ist unklar. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert findet er sich als „Rabenturm“ bezeichnet. Ob ein Zusammenhang zum Tier, also dem gerne Unheil verkündenden schwarzen Raben besteht, ob eine Nähe zu einem „Rabenstein“ (zu einem Richtplatz bzw. Galgen) gegeben war oder ob man vom Turm aus Raben geschossen hat (wie aus den späteren „Rabenhütten“), lässt sich nicht belegen. Möglicherweise könnte sich der Name auch von Matthias Corvinus (lat. corvus, der Rabe) herleiten lassen. Denn bekanntlich gingen die Belagerungstruppen des ungarischen Königs im Südwesten gegen die Stadtbefestigung der Neustadt vor - wobei der nahe Südwest-Eckturm völlig zerschossen wurde. Nicht weit entfernt von diesem Turm lag südwestlich außerhalb der Stadtbefestigung ein „Gottesacker“, also ein Friedhof, mit einer christlichen Kirche (Kirche St. Ulrich der gleichnamigen Vorstadt). Heute hat die schlagende Burschenschaft „Germania“ hier ihre „Bude“, das heißt ihren Vereinssitz. Tipps für nahe Sehenswürdigkeiten: - Kasematten Quellen/Literatur: Bundesdenkmalamt (Hg.), Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Topographisches Denkmälerinventar. Niederösterreich südlich der Donau. Teil 2, Horn/Wien 2003. Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm Gerhard Geissl, Denkmäler in Wiener Neustadt. Orte des Erinnerns. Berndorf 2013. Erwin Reidinger, Planung oder Zufall. Wiener Neustadt 1192. Wiener Neustadt 1995.
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