Lilly-Steinschneider-Gasse - Flugpionierin

Erinnerungsort

Lilly-Steinschneider-Gasse - Flugpionierin

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Lilly-Steinschneider-Gasse Flugpionierin Lilly Steinschneider – Die erste in Wiener Neustadt ausgebildete und geprüfte Flugpilotin Österreichs Lilly Helene Steinschneider-Wenckheim wurde am 13. Jänner 1891 in Budapest als Tochter eines jüdischen Möbel- und Bettwäsche-Fabrikanten geboren. Als junge Frau entdeckte sie bei einem 1910 in Budapest veranstalteten internationalen Flugwettbewerb ihre Faszination für die Flugkunst, die „Aviatik“. Daher suchte sie das nächste Zentrum der frühen Luftfahrt auf, das sich damals in Wiener Neustadt befand und wo seit 1909 bekannte Flugzeug-Konstrukteure und Piloten tätig waren. In der „Ersten Österreichischen Flugwoche“ im Oktober 1911 in Wiener Neustadt nahm sie als Passagierin beim Weltrekord-Distanzflug von Oberleutnant Heinrich Bier mit einer „Etrich-Maschine“ teil. Sie flog mit anderen Piloten mit und saß bei ersten Höhen- und Streckenflug-Rekordversuchen als Passagierin im Flugzeug, beispielsweise bei einem von Josef Sablatnig gewonnenen Langstreckenflug über 168 Kilometer in Niederösterreich. Nach ihrer Ausbildung zur Pilotin beim Flugpionier Karl Illner in der legendären „Etrich-Taube“ und nach ihren Prüfungsflügen am 7. und 15. August 1912 in Wiener Neustadt erhielt Lilly Steinschneider den Pilotenschein mit der Nummer 4. Sie war damit die erste hier ausgebildete und geprüfte Flugpilotin in Österreich. (Die in Prag geborene Božena Laglerová, auch Lagler, aus Böhmen war die erste Pilotin der Donaumonarchie Österreich-Ungarn überhaupt, die am 10. Oktober 1911 das Diplom Nr. 37 des „Österreichischen Aero-Clubs“ erhalten hatte.) Fortan konnte Lilly Steinschneider als Pilotin an Flugbewerben in Österreich und Ungarn teilnehmen. Sie startete beispielsweise 1913 beim größten internationalen Luftfahrtwettbewerb der Flugpionier-Zeit in Aspern bei Wien, bei dem erstmals zwei Frauen als Pilotinnen fliegen durften und sich Lilly Steinschneider als Vertreterin Österreichs in die Lüfte erhob. Beim Überfliegen des Flugfeldes setzte allerdings der Flugzeugmotor aus und Steinschneider musste außerhalb des Flugplatzes notlanden. Während das Flugzeug schwer beschädigt wurde, blieb Lilly Steinschneider unverletzt. Die weiblichen Flugpionierinnen wurden durchaus verspottet, weil sie als emanzipierte Frauen in eine Männerdomäne drängten. So hieß es in der Wiener Satire-Zeitschrift „Kikeriki“ vom 29. Juni 1913 zur Zweiten Internationalen Flugwoche in Wien-Aspern: „De Staschneider Lilly. Gott sei Dank, se tragt Reformhosen!“ – womit man gezielt die damals oft diskutierte sogenannte Reformkleidung in der Damenmode ansprach, die an sich für mehr Bewegungsfreiheit, aber auch sinnbildlich für die Emanzipation (durch die Abwendung der Frau vom einengenden Korsett) stand. Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs beendet Lilly Steinschneider ihre Karriere als „Pilotin der ersten Stunde“ und heiratete 1914 Graf Johannes Evangelist Virgilio Coudenhove-Kalergi. 1939 emigrierte sie mit ihrer Tochter nach Italien und lebte nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich. Lilly Coudenhove-Kalergi verstarb am 28. März 1975 in Genf. Nach ihr ist die „Lilly-Steinschneider-Gasse“ in Wiener Neustadt benannt.   Quellen/Literatur: Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.  

Fläche Gymelsdorfer Gasse/Richtergasse - Judenlager 1944/45

47.799650

16.237080

Lilly-Steinschneider-Gasse

Flugpionierin Lilly Steinschneider – Die erste in Wiener Neustadt ausgebildete und geprüfte Flugpilotin Österreichs

Lilly Helene Steinschneider-Wenckheim wurde am 13. Jänner 1891 in Budapest als Tochter eines jüdischen Möbel- und Bettwäsche-Fabrikanten geboren. Als junge Frau entdeckte sie bei einem 1910 in Budapest veranstalteten internationalen Flugwettbewerb ihre Faszination für die Flugkunst, die „Aviatik“. Daher suchte sie das nächste Zentrum der frühen Luftfahrt auf, das sich damals in Wiener Neustadt befand und wo seit 1909 bekannte Flugzeug-Konstrukteure und Piloten tätig waren.

In der „Ersten Österreichischen Flugwoche“ im Oktober 1911 in Wiener Neustadt nahm sie als Passagierin beim Weltrekord-Distanzflug von Oberleutnant Heinrich Bier mit einer „Etrich-Maschine“ teil. Sie flog mit anderen Piloten mit und saß bei ersten Höhen- und Streckenflug-Rekordversuchen als Passagierin im Flugzeug, beispielsweise bei einem von Josef Sablatnig gewonnenen Langstreckenflug über 168 Kilometer in Niederösterreich.

Nach ihrer Ausbildung zur Pilotin beim Flugpionier Karl Illner in der legendären „Etrich-Taube“ und nach ihren Prüfungsflügen am 7. und 15. August 1912 in Wiener Neustadt erhielt Lilly Steinschneider den Pilotenschein mit der Nummer 4. Sie war damit die erste hier ausgebildete und geprüfte Flugpilotin in Österreich. (Die in Prag geborene Božena Laglerová, auch Lagler, aus Böhmen war die erste Pilotin der Donaumonarchie Österreich-Ungarn überhaupt, die am 10. Oktober 1911 das Diplom Nr. 37 des „Österreichischen Aero-Clubs“ erhalten hatte.)

Fortan konnte Lilly Steinschneider als Pilotin an Flugbewerben in Österreich und Ungarn teilnehmen. Sie startete beispielsweise 1913 beim größten internationalen Luftfahrtwettbewerb der Flugpionier-Zeit in Aspern bei Wien, bei dem erstmals zwei Frauen als Pilotinnen fliegen durften und sich Lilly Steinschneider als Vertreterin Österreichs in die Lüfte erhob. Beim Überfliegen des Flugfeldes setzte allerdings der Flugzeugmotor aus und Steinschneider musste außerhalb des Flugplatzes notlanden. Während das Flugzeug schwer beschädigt wurde, blieb Lilly Steinschneider unverletzt. Die weiblichen Flugpionierinnen wurden durchaus verspottet, weil sie als emanzipierte Frauen in eine Männerdomäne drängten. So hieß es in der Wiener Satire-Zeitschrift „Kikeriki“ vom 29. Juni 1913 zur Zweiten Internationalen Flugwoche in Wien-Aspern: „De Staschneider Lilly. Gott sei Dank, se tragt Reformhosen!“ – womit man gezielt die damals oft diskutierte sogenannte Reformkleidung in der Damenmode ansprach, die an sich für mehr Bewegungsfreiheit, aber auch sinnbildlich für die Emanzipation (durch die Abwendung der Frau vom einengenden Korsett) stand.

Mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs beendet Lilly Steinschneider ihre Karriere als „Pilotin der ersten Stunde“ und heiratete 1914 Graf Johannes Evangelist Virgilio Coudenhove-Kalergi. 1939 emigrierte sie mit ihrer Tochter nach Italien und lebte nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich.

Lilly Coudenhove-Kalergi verstarb am 28. März 1975 in Genf. Nach ihr ist die „Lilly-Steinschneider-Gasse“ in Wiener Neustadt benannt.

 

Quellen/Literatur:
Werner Sulzgruber, Das jüdische Wiener Neustadt. Geschichte und Zeugnisse jüdischen Lebens vom 13. bis ins 20. Jahrhundert, Wien 2010.

 

Bilder

Blick in die Lilly-Steinschneider-Gasse von der Fischauer Straße

Datierung: 2016 Quelle: Sammlung Sulzgruber Autor: Foto Marcel Billaudet

Lilly Steinschneider auf dem Wiener Neustädter Flugfeld als einzige Frau inmitten von Männern, 1911

Lilly Steinschneider [2] mit dem lokal bekannten Piloten Heinrich Bier [3], dem Konstrukteur Ferdinand Porsche [5] und anderen.
Datierung: 1911 Quelle: Stadtarchiv Wiener Neustadt Autor: unbekannt Zusatzinfo: Fotografie

Karikatur zur Zweiten Internationalen Flugwoche in Wien-Aspern, 1913

Wiener Satire-Zeitschrift „Kikeriki“ vom 29. Juni 1913: Unübersehbar sind auch die antisemitischen Überzeichnungen.
Datierung: 1913 Quelle: ÖNB, ANNO